Florian Gerlach

Seminare zum „Recht der Sozialen Arbeit“

Evangelische Hochschule Bochum

Inhalt der elterlichen Sorge

Eltern müssen für die Person und das Vermögen des Kindes sorgen (§ 1626 BGB). Das Sorgerecht zerfällt also in die Personensorge und die Vermögenssorge.

Beispiel:

Die Vermögenssorge bezieht sich unter anderem auf eine Erbschaft des Kindes oder auf die Verwaltung eines Grundstücks, das dem Kind gehört. Geht es dagegen um die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen des Kindes, ist das keine Sache der Vermögenssorge.

Für die Soziale Arbeit ist das Vermögenssorgerecht vergleichsweise unwichtig, weil die betroffenen Klienten selten Vermögenswerte in nennenswertem Umfang haben. In seltenen Ausnamefällen kommt es vor, dass Kinder oder Jugendliche Vermögen aus Opferentschädigungsrenten aufgebaut haben. Dann ist es Sache der Personensorgeberechtigten, sich um dieses Vermögen zu kümmern und die Vorschriften zum Schutz des Kindesvermögens zu beachten (siehe §§ 1638 – 1667 BGB).

Von großer Bedeutung ist jedoch der Bereich der Personensorge. Die wichtigsten Bestandteile des Personensorgerechts sind:

  • das Recht zur Pflege und Erziehung des Kindes,
  • die Aufsichtspflicht,
  • das Aufenthaltsbestimmungsrecht und
  • das Vertretungsrecht.

Lies: § 1631 Abs. 1 BGB und § 1629 BGB

Pflege und Erziehung

Unter Pflege versteht man die Versorgung mit dem unmittelbar Notwendigen. Nahrung, Wohnen, Schlafen, aber z.B. auch die medizinische Versorgung (Gesundheitsfürsorge) gehören hierher.

Mit Erziehung ist die Sorge für die sittliche, geistige und körperliche Entwicklung des Kindes gemeint. Auch Bildung des Kindes und der emotionale und geistige Austausch von Eltern und Kindern ist Aufgabe der Eltern.

Die Eltern haben das Kind gewaltfrei zu erziehen.

Lies: § 1631 Abs. 2 BGB

Aufsichtspflicht

Die Aufsichtspflicht verpflichtet die Eltern, darauf aufzupassen, dass das Kind nicht zu Schaden kommt und selber keinen Schaden anrichtet. Es ist die Grundlage für die zivilrechtliche Haftung (§§ 823, 832 BGB) der aufsichtspflichtigen Eltern (und davon abgeleitet aller sonstigen Bezugspersonen) für das Kind.

Aufenthaltsbestimmungsrecht

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht spielt in den Auseinandersetzungen um das Sorgerecht eine große Rolle. Denn: Derjenige Elternteil, der das Aufenthaltsbestimmungsrecht hat, kann nicht nur im Verhältnis zum Kind dessen Aufenthalt bestimmen („Heute bleibst du zu Hause“). Vor allem kann der aufenthaltsbestimmungsberechtigte Elternteil dieses Recht auch gegenüber anderen Personen geltend machen und unter anderem von diesen das Kind jederzeit herausverlangen.

Im Einzelnen gilt:

Aufenthaltsbestimmung gegenüber dem Kind

Bezogen auf das Kind kann der Elternteil sein Aufenthaltsbestimmungsrecht dahingehend geltend machen, dass es dem Kind einen bestimmten Aufenthaltsort vorschreibt oder verbietet („Zu dieser Party gehst du nicht.“). In der Praxis spielt dieses Recht kaum eine Rolle. Denn als Recht kann das Aufenthaltsbestimmungsrecht ja nur wirken, wenn es im Zweifel auch im Wege der Zwangsvollstreckung mithilfe staatlicher Gewalt auch durchgesetzt werden kann. Das ist im Verhältnis zum Kind jedoch kaum möglich (vgl. § 90 FamFG). Tatsächlich wirkt das Aufenthaltsbestimmungsrecht gegenüber dem Kind nicht Kraft seiner Möglichkeit, es gerichtlich und im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Es wirkt, weil und solange Kinder sich den Vorgaben der Eltern mit ihrem Willen unterwerfen.

Aufenthaltsbestimmung gegenüber Dritten

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht gegenüber Dritten ist in § 1632 Abs. 1 BGB konkretisiert. Danach kann der Personensorgeberechtigte und damit auch Aufenthaltsbestimmungsberechtigte die Herausgabe des Kindes von jedem verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält.

Lies: § 1632 Abs. 1 BGB

In der Praxis der Sozialen Arbeit spielen vor allem zwei Konstellationenen eine wichtige Rolle: Die Herausgabe des Kindes von Plegepersonen und die Herausgabe des Kindes vom nicht aufenthaltsbestimmungsberechtigten Elternteil.

Herausgabeanspruch gegenüber Pflegepersonen

Kinder werden oft mit Einwilligung der Eltern bei Pflegepersonen untergebracht. Zum Beispiel, weil sie über eine längere Zeitperiode hinweg im Rahmen einer Suchttherapie das Kind nicht betreuuen können. Sind Kinder mit Einwilligung der Eltern bei einer Pflegeperson untergebracht, können die Eltern das Kind jederzeit von der Pflegeperson herausverlangen. Oft machen Eltern von diesem Recht Gebrauch, wenn sie aus ihrer Sicht das Kind wieder betreuen können oder wenn sie ihre frühere Entscheidung bereuen. Sie können dieses Recht auch gerichtlich durchsetzen.

Die Kinder bauen auch zu den Pflegeeltern in der Regel eine soziale Eltern-Kind-Beziehung auf. Auch kann die Einschätzung der sorgeberechtigten Eltern, sie könnten das wieder erziehen, falsch sein. Deshalb kann die Herausgabe des Kindes an die sorgeberechtigten Eltern dem Kindswohl schaden. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber dem Herausgabeverlangen der Eltern Schranken gesetzt:

Das Familiengericht kann in dieser Situation von Amts wegen (also aus eigenem Antrieb) oder auch Antrag der Pflegeperson anordnen, dass das Kind bei der Pflegeperson verbleibt. Diese Anordnung nennt mann „Verbleibensanordnung“.

Lies: § 1632 Abs. 4 BGB

Zusätzlich kann das Gericht nach der gleichen Vorschrift den dauerhaften Verbleib bei der Pflegeperson anordnen, wenn sich die Erziehungsverhältnisse bei den Eltern nicht verbessern und der dauerhafte Verbleib bei der Pflegeperson zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Diese Anordnung nennt man „Dauerverbleibensanordnung“.

Herausgabeanspruch gegenüber dem anderen Elternteil

Der Herausgabeanspruch des sorgeberechtigten Elternteils kann sich auch gegen den anderen Elternteil richten. Bringt zum Beispiel der nicht sorgeberechtigte Elternteil das Kind nach einem Umgangskontakt am Wochenende oder in den Ferien nicht wieder zurück, kann der sorgeberechtigte Elternteil die Herausgabe verlangen und auch gerichtlich durchsetzen.

Der Herausgabeanspruch nach § 1632 Abs. 1 BGB kann sich nur gegen den Elternteil richten, der nicht seinerseits sorgeberechtigt ist. Denn sonst vorenthält dieser das Kind nicht „widerrechtlich“.

Lies nochmals: § 1632 Abs. 1 BGB

Da jeder Elternteil unabhängig vom Sorgerecht ein Umgangsrecht hat (§ 1684 Abs. 1 BGB), kann der nicht sorgeberechtigte Elternteil dem Herausgabeverlangen unter Umständen sein Umgangsrecht entgegenhalten. Das setzt aber eine gerichtliche oder gerichtlich protokollierte Entscheidung über den genauen zeitlichen und räumlichen Umfang des Umgangsrechtes voraus.

Konflikte zwischen Eltern über die Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes werden daher in den meisten Fällen nicht auf der Grundlage des § 1632 Abs. 1 BGB, sondern im Rahmen der Ausgestaltung des Umgangsrechts nach § 1684 BGB ausgetragen.

Vertretungsrecht der sorgeberechtigten Eltern

Die sorgeberechtigten Eltern vertreten ihre Kinder grundsätzlich bis zum 18. Lebensjahr (= 18. Geburtstag) gegenüber Dritten im Rechtsverkehr. Das Kind kann also grundsätzlich bis zum seinem 18. Geburtstag keine rechtlich wirksamen Willenserklärungen abschließen (lies § 104 BGB§ 106 BGB). Es kann also vor allem keine Verträge abschließen, es kann sich nicht selbst vor Behörden und Gerichten vertreten, es kann keine wirksamen Einwilligungen bei Ärzten abgeben, etc.

Von diesem Prinizp („keine wirksamen Willenserklärungen durch das Kind“) gibt es Ausnahmen:

Minderjährigenrecht

Lies dazu §§ 106-113 BGB, wonach Kinder, die das 7. Lebensjahr vollendet haben, beschränkt geschäftsfähig sind. Mit der vorherigen oder nachträglichen Zustimmung ihrer Eltern können sie wirksame Erklärungen abgeben. Desweiteren können sie auch wirksame Erklärungen abgeben, wenn diese lediglich einen rechtlichen Vorteil für sie mitbringen, zum Beispiel die Annahme eines Schenkungsangebots. Außerdem gilt der sogenannten „Taschengeldparagraf“ (§ 110 BGB), wonach Kinder wirksame Willenserklärungen abschließen können, wenn sie die Gegenleistung mit Taschengeldmitteln bezahlen.

Geltendmachung von Sozialleistungsansprüchen

Sind die Kinder 15 Jahre alt, können sie selbst ihre eigenen Sozialleistungsansprüche geltend machen und auch entgegennehmen. Wichtig kann das zum Beispiel bei bestimmten Jugendhilfeansprüchen und auch bei Grundsicherungsleistungen sein.

Lies: § 36 SGB I

Wahrnehmung von Beratungsansprüchen und Besschwerderechten im SGB VIII

Im SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) sind an verschiedenen Stellen Beratungs- und Beteiligungsansprüche von Kindern geregelt, die diese auch unabhängig von den Eltern geltend machen können (z.B. § 8 Abs. 3 SGB VIII).

Gemeinsames Vertretungsrecht

Sind beide Eltern sorgeberechtigt, müssen sie das Kind grundätzlich gemeinsam vertreten.

Von diesem Prinzip gibt es Ausnahmen:

In Notfällen kann ein Elternteil das Kind stets allein vertreten. Ist nur ein Elternteil sorgeberechtigt, vertritt dieser das Kind alleine. Zum Beispiel bei Einwilligungserklärungen beim Arzt oder im Krankenhaus bei medizinischen Notfällen.

Eine weitere Ausnahme gibt es beim Unterhalt des Kindes: Leben gemeinsam sorgeberechtigte Eltern getrennt, kann der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche gegen den anderen Elternteil geltend machen.

Lies: § 1629 Abs. 2 BGB

Schulden des Kindes – Beschränkungen des Minderjährigenhaftung

Eltern können für ihr Kind wirksame Willenserklärungen abgeben. Sie können daher auch Verträge schließen, die zu Schulden für das Kind führen. Schließen zum Beispiel Eltern einen Verbraucherkreditvertrag für einen Computer im Namen des Kindes ab, sind die Schulden aus diesem Kreditvertrag Schulden des Kindes. Das Gesetz schützt die Kinder vor solchen Verträgen: Werden die Kinder 18 Jahre alt, werden sie also volljährig, schulden sie maximal soviel Geld, wie ihnen auch an Vermögen zur Verfügung steht.

Lies: § 1629a BGB

Beispiel:

Die Eltern haben zur Anschaffung eines teuren Computers im Namen des 17-jährigen Kindes einen Ratenkredit über 2.000,- € aufgenommen. Zum Zeitpunkt, als das Kind 18 Jahre alt wird, sind davon 500,- € abbezahlt. Die Restschuld beträgt also noch 1.500,- €. Hat das Kind am 18. Geburtstag zum Beispiel 125,- € auf seinem Konto, schuldet es nur diesen Betrag. Die weiteren 1.375,- € müssen nicht gezahlt werden. Die Kreditbank geht also in Höhe des Betrages von 1.375,- € leer aus.