Der Gesetzgeber bewältigt die aus der Übertragung der Leistungserbringung auf die Träger der freien Jugendhilfe resultierenden Steuerungsprobleme durch die Ausgestaltung der Regelungen zur Finanzierung (§ 77 SGB VIII) ambulanter Leistungen sowie der Regelungen zur Einrichtungsfinanzierung (§§ 78a ff. SGB VIII).
Dabei geht es im Kern darum, die Debatte um Preis und Leistung einem Streit im Einzelfall zu entziehen. Im Einzelnen wird dies in dem Abschnitt zum „Dreiecksverhältnis“ erläutert. Die „Bepreisung“ abstrakt umschriebener Leistungsangebote nach bestimmten rechtlichen Vorgaben ist Gegenstand der Leistungs- und Entgeltverhandlungen. In der Marktterminologie ausgedrückt: Es geht um die Festlegung eines Preises für ein abstrakt definiertes „Produkt“.
Leistungen der Jugendhilfe auf die ein Rechtsanspruch besteht, namentlich also die Leistungen nach den §§ 19, 27, 35a und 41 SGB VIII, werden durch Leistungsentgelte oder Fachleistungsstunden finanziert. Grundlage dafür sind Vereinbarungen (also Verträge) zwischen dem Jugendamt und dem Träger der freien Jugendhilfe, in denen Preise pro Zeiteinheit der Leistung festgelegt werden.
Bei stationären und teilstationären Leistungen werden Sätze pro Person und Tag für konkret beschriebene Leistungen gewährt (Tagessätze). Bei ambulanten Leistungen werden Sätze pro Person und Stunde für konkret beschriebene Leistungen gewählt (Fachleistungsstunden).
Verhandlungsgegenstand und Verhandlungsmasse beider Verhandlungspartner sind sowohl die Inhalte der jeweiligen Leistung, als auch deren Preis.
Rechtsgrundlagen für die Finanzierung sind:
Das SGB VIII gewährt grundsätzlich jedem Träger der freien Jugendhilfe, der über die fachlichen, sächlichen und personellen Voraussetzungen verfügt, Zugang zum Markt von Jugendhilfeleistungen. Bei der Erbringung von Leistung und Einrichtungen, also bei allen stationären und teilstationären Maßnahmen, benötigt der Träger der freien Jugendhilfe für den Marktzugang eine Betriebserlaubnis sowie eine Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarung.
Lesen Sie: § 45 Absatz 1 Satz 1 SGB VIII und § 78b Absatz 3 SGB VIII.
Versuchen, diesen freien Marktzugang durch „Vergabe“ von Leistungskontingenten an vorab ausgewählte Träger zu beschränken, hat die Rechtsprechung im Anwendungsbereich rechtsanspruchsgebundener Leistungen eine Absage erteilt. Das gilt insbesondere für Finanzierungssysteme, die eine „Vergabe“ von Leistungskontingenten für bestimmte Sozialräume vorsehen.
Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 11. Juli 2012, Aktenzeichen 4 LA 54/11.
VG Hamburg, Urteil vom 10. Dezember 2015, Aktenzeichen 13 K 1532/12.
Für den Bereich ambulanter Hilfen: Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 28. April 1999, Aktenzeichen 4 L 2607/98; Zugang mit Bezahlschranke; frei zugängliches Dokument leider nicht verfügbar.
Eine Ausnahme von dieser Finanzierungssystematik bilden Leistungen, bei denen es um die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen geht § 36 Absatz 2 Satz 2 SGB VIII.
„Freier Marktzugang“ bedeutet in diesem Kontext jedoch nicht, dass ein Anspruch auf „Belegung“ bestünde. Gemeint ist vielmehr lediglich, dass Einrichtungsträger nicht sachwidrig durch Vorabauswahl von der Marktteilnahme ausgeschlossen werden dürfen.
Die Verhandlung von Leistungen und Entgelten im Bereich der Jugendhilfe ist von strukturellen Interessengegensätzen zwischen den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe einerseits und den Trägern der freien Jugendhilfe andererseits geprägt: Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind gehalten, dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Geltung zu verhelfen und müssen gleichzeitig eine bedarfsgerechte Versorgung der Hilfesuchenden sicherstellen. Die Einrichtungsträger bewegen sich umgekehrt auf einem „Markt“ von Jugendhilfeleistungen, bei dem sie mit anderen Trägern um Belegung und Preise konkurrieren. Mittel ihrer Konkurrenz sind vor allem die Wahrung ihrer Eigenverantwortlichkeit und eine Optimierung ihrer Erlöse.
Die Finanzierung stationärer und teilstationärer Leistungen richtet sich nach den §§ 78a – 78g SGB VIII.
Lesen Sie: § 78a Absatz 1 SGB VIII
Die folgenden Darstellungen beziehen sich auf diese Leistungsarten.
Eine Verpflichtung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zur Kostenübernahme besteht für den Träger der öffentlichen Jugendhilfe nur dann, wenn mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Verband Vereinbarungen über
abgeschlossen worden sind.
Lesen Sie: § 78b Absatz 1 SGB VIII
Liegen entsprechende Vereinbarungen nicht vor, besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe nur im Ausnahmefall. Nämlich dann, wenn trotz fehlender Vereinbarung eine Leistungserbringung gerade bei diesem Träger im Einzelfall geboten ist.
Lesen Sie: § 78b Absatz 3 SGB VIII
Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn trotz fehlender Vereinbarung für eine bestimmte Leistungsart die Betreuung nur durch einen bestimmten Träger bedarfsgerecht erfolgen kann, weil das Kind zu diesem enge Bindungen aufgebaut hat.
Verhandlungen über Leistungen und Entgelte münden oftmals rasch in Auseinandersetzungen über monetäre Fragen, zum Beispiel die Höhe von Sachkosten, Löhnen, Investitionskosten, etc.
Ein wichtiger und scheinbar selbstverständlicher Grundsatz des „Verhandlungsgeschäfts“ lautet zwar: „Keine Entgeltverhandlung ohne vorherige Einigung über Inhalte der Leistung“. Die Leistungsinhalte müssen abschließend verhandelt sein, bevor in die Verhandlungen über das Entgelt eingestiegen wird. Selbstverständlich ist dieser Grundsatz deshalb, weil es sachlogisch keine Entgeltverhandlungen geben kann, ohne dass zuvor bestimmt wurde, für welche Leistungen konkret das Entgelt vereinbart werden soll. Oder anders gesprochen: Andere Leistungen produzieren andere Entgelte.
Gleichwohl wird die Ebene der Verhandlung der Leistungsinhalte von den Verhandlungspartnern oft zu früh verlassen und um monetäre Fragen gerungen. Die Gründe hierfür sind vielschichtig: Zum Teil wird von den Verhandlungspartnern nicht erkannt, dass sich hinter einem Streit um Zahlen tatsächlich eine Auseinandersetzung um Leistungsinhalte verbirgt. Umgekehrt werden auch Leistungsinhalte abgelehnt oder befürwortet, weil bestimmte Preise negiert oder durchgesetzt werden sollen.
In der Praxis zeigt sich, dass eine große Zahl der Auseinandersetzungen im Verhandlungsgeschäft aus nicht geeigneten Leistungsinhalten herrühren. Damit gewinnt auch die Frage an Bedeutung, wer die Hoheit über die Inhalte der Leistungsvereinbarung innehat.
Die notwendigen Inhalte der Leistungsvereinbarung sind zunächst in § 78c SGB VIII geregelt.
Lesen Sie: § 78c Absatz 1 SGB VIII
Die notwendigen Inhalte der Leistung ergeben sich weiter aus der Betriebserlaubnis. Dasjenige, was der Träger leisten muss, um die Vorgaben der Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII umzusetzen, ist notwendiger Bestandteil der Leistungsvereinbarung. Die Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII setzt Mindeststandards für die Leistungsvereinbarung. Diese Standards können nicht unter-, wohl aber überschritten werden.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 19. August 2016 – 12 CE 16.1172 –, Rn. 35; Zugang mit Bezahlschranke, frei zugängliches Dokument leider nicht verfügbar.
Beispiel: Ergeben sich aus der Betriebserlaubnis konkrete Vorgaben im Hinblick auf die Qualität und Quantität des Personals oder der baulichen Anlagen, sind diese Vorgaben für den Leistungsinhalt zwingend und damit auch zu refinanzieren. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe könnte in einem solchen Fall nicht einwenden, er halte die Vorgaben der Betriebserlaubnis zu Personalschlüsseln für zu hoch.
Das Vorstehende gilt auch für sonstige gesetzliche Vorgaben, die der Einrichtungsträger einzuhalten verpflichtet ist. Was der Einrichtungsträger tun muss, ist notwendiger Bestandteil der Leistung und dem Einrichtungsträger damit zu refinanzieren.
Beispiele für solche Vorgaben sind:
- Arbeitszeitregelungen im Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
- Regelungen zur Interessenvertretung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen (BetrVG)
- Regelungen zur Interessenvertretung von Menschen mit Behinderungen (SGB IX)
- Regelungen zum Datenschutz, Datenschutzbeauftragter (Datenschutzgrundverordnung, BDSG)
- Gleichstellungsbeauftragte / -beauftragter (BGleiG)
Zum Teil enthalten die auf Landesebene auf Grundlage des § 78f SGB VIII abgeschlossenen Rahmenverträge konkrete Vorgaben bzw. Vorschläge für die Ausgestaltung der Leistungsinhalte. Ob diese für die Vertragsparteien verbindlich sind, bedarf einer Prüfung im Einzelfall. Oftmals lässt sich eine zwingende Bindungswirkung nicht ableiten.
Ein häufiger Streitpunkt in Verhandlungen über den Leistungsinhalt ist die Frage, in welchem Umfang der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Leistungsinhalte, die der Leistungserbringer in seiner Leistungsbeschreibung formuliert haben will, inhaltlich mitgestalten und -bestimmen darf. In der Praxis werden von Seiten der Sozialleistungsträger oft Änderungsverlangen zum Leistungsinhalt formuliert, die der Leistungserbringer nicht akzeptieren will. Sie berufen sich dabei auf die Formulierung, wonach auch über die Leistung eine entsprechende „Vereinbarung“ getroffen werden muss (vgl. § 78b SGB VIII, § 75 SGB XII). „Vereinbarung“ unterstelle Mitsprache und Mitentscheidung über die Inhalte.
Nach richtiger Wertung ist von Folgendem auszugehen: Macht der Leistungserbringer ein Leistungsangebot, für das von einem abstrakt zu bestimmenden Kreis von Hilfebedürftigen ein Bedarf besteht und handelt es sich um ein fachlich vertretbares Angebot, so liegt es in seiner Trägerautonomie, dieses Angebot inhaltlich auszugestalten. Der Sozialleistungsträger muss von inhaltlichen Einmischungen absehen. Dies folgt für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe unmittelbar aus § 4 Absatz 1 Satz 2 SGB VIII, wonach die öffentliche Jugendhilfe die Selbstständigkeit der freien Jugendhilfe in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben sowie in der Gestaltung ihrer Organisationsstruktur zu achten hat.
Sehr deutlich hierzu der Beschluss der Schiedsstelle Jugendhilfe für Westfalen vom 30.09.2015, Aktenzeichen: 50 51 0078 – 6/14, S. 3 (Hervorhebung durch Verfasser, frei zugängliches Dokument leider nicht verfügbar):
„Das Angebot entspricht nach Ansicht der Schiedsstelle auch den erforderlichen fachlichen Standards und ist somit auch vereinbarungsfähig. Demgegenüber sieht der Antragsgegner unter Angabe von wissenschaftlichen Quellen im Schriftsatz vom 16.04.2015 die therapeutische und heilpädagogische Wirkung der tiergeschützten Pädagogik als umstritten und daher nicht als vereinbarungsfähig an. Im Kontext der Jugendhilfe ist aber die tiergestützte Pädagogik und hier insbesondere das therapeutische Reiten ein in vielen stationären Einrichtungen der Jugendhilfe verbreiteter Ansatz, um pädagogische Ziele, wie beispielsweise die Stärkung des Selbstbewusstseins, das Lernen der Übernahme von Verantwortung, sowie den Aufbau von Bindungen zu erreichen (vgl. hierzu auch Saumweber 2009, Tiergestützte Pädagogik in der stationären Jugendhilfe. Die Wirkung tiergestützter Interventionen bei verhaltensgestörten Jugendlichen in stationären Jugendhilfemaßnahmen). Die tiergestützte Pädagogik steht auch im Einklang mit den fachlichen Standards und ist somit auch geeignet im Sinne des § 78c I 3 SGB VIII. So hat auch der Antragsgegner mit der Antragstellerin schon in der Vergangenheit Leistungsvereinbarungen geschlossen, in denen die tiergestützte Pädagogik enthalten war. Zum damaligen Zeitpunkt stellte das therapeutische Reiten gleichfalls eine Leistung dar, die jedoch nicht über das Leistungsentgelt refinanziert wurde. Jedoch ist es der Antragstellerin aufgrund ihrer Trägerautonomie unbenommen das Konzept ihrer Einrichtung hierauf zu stützen und diese Leistung nunmehr als Grundleistung anzubieten. Sie hat somit einen Anspruch auf Abschluss einer entsprechenden Leistungsvereinbarung nach ä 78b II SGB VIII. Zugleich besteht aufseiten der Antragstellerin das Risiko, dass die von ihr angebotene Leistung nicht entSprechend nachgefragt wird. Folglich sind auch die hieraus resultierenden Kosten für Personal und Sachleistungen, die die Antragstellerin nachvollziehbar dargelegt hat, für die Leistungserbringung erforderlich. Sie sind wirtschaftlich und beachten das Gebot der Sparsamkeit (vgl. § 78b II 1 SGB VIII). Aus diesem Grund sind diese Kosten in der Entgeltvereinbarung zu berücksichtigen.“
Grenzen der Trägerautonomie rühren aus dem Bedarfsdeckungsgrundsatz. Ebenso müssen die Leistungsangebote zur Erbringung von Leistungen nach § 78a SGB VIII geeignet sowie ausreichend zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Auf die Vereinbarung fachlich nicht vertretbarer Leistungsangebote („kein Reiten mit blauen Elefanten“) sowie unwirtschaftlicher oder unzweckmäßiger Angebote („keine goldenen Wasserhähne“) besteht daher kein Anspruch.
Lesen Sie: § 78c Absatz 1 Satz 3 SGB VIII
Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen sind für einen zukünftigen Zeitraum abzuschließen. Nachträgliche Ausgleiche sind nicht zulässig.
Lesen Sie: § 78d Absatz 1 Satz 1 SGB VIII
Dieses Prinzip wird als „prospektives Entgeltsystem“ bezeichnet. Mit der Einführung des prospektiven Entgeltsystems wurde das vormalige System der retrospektiven „Spitzabrechnung“ abgelöst. Grund für den Systemwechsel waren wesentlich Sparbemühungen der öffentlichen Hand.
Vgl. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 1.4.1998, BT Drs. 13/10330, S. 16.: „Ziel der Neuregelung ist die Dämpfung der Kostenentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere im Bereich der stationären und teilstationären Leistungen, die Schaffung einer stärkeren Transparenz von Kosten und Leistungen sowie die Verbesserung der Effizienz der eingesetzten Mittel.“
Mit der Einführung prospektiver Leistungsentgelte wurde das Risiko für deren Auskömmlichkeit auf die Einrichtungsträger verlagert. Diese Risikoverlagerung wurde vom Gesetzgeber als einer der zentralen Bausteine zur Erzielung von Kosteneinsparungen erkannt. Explizit wird in den Gesetzesmaterialien darauf hingewiesen, dass Träger „Unterdeckungen“, also Verluste, erwirtschaften können – was diese eben zu wirtschaftlichem Handeln anreizen sollte. Wegen des Verbots nachträglicher Ausgleiche, also wegen des Verlustrisikos, wird den Einrichtungsträgern in den Gesetzesmaterialien im gleichen Atemzug auch die „Möglichkeit zur Erzielung eines Überschusses“ , mithin die Möglichkeit zur Erzielung von Gewinnen eingeräumt:
Vgl. BT Drs. 12/5510. S. 11:
„Ein Ausgleich von Über- oder Unterdeckungen findet nicht mehr statt. Dem darin liegenden Risiko einer Unterdeckung steht bei leistungsfähigen, wirtschaftlich arbeitenden Einrichtungen die Chance einer Überdeckung gegenüber, die der Einrichtung verbleibt.
Dass im prospektiven Entgeltsystem Gewinne gemacht werden können, war daher bereits im Gesetzgebungsprozess unterstellt und als systemimmanent anerkannt.
Vereinbarungen treten frühestens am Tage ihres Abschlusses in Kraft. Von den Vertragsparteien (Jugendamt, Träger der freien Jugendhilfe) kann auch ein anderer Zeitpunkt als Zeitpunkt des Inkrafttretens vereinbart werden. Dieser Zeitpunkt darf aber nicht in der Vergangenheit liegen. Die Vereinbarung eines in der Vergangenheit liegenden Zeitpunktes für das Inkrafttreten ist rechtswidrig und hat zur Konsequenz, dass die Vereinbarung nichtig ist und daraus – zumindest für den in der Vergangenheit liegenden Zeitraum – keine Rechtsansprüche hergeleitet werden können.
Die Vereinbarungen treten zu dem darin bestimmten Zeitpunkt in Kraft. Wird ein Zeitpunkt nicht bestimmt, so werden die Vereinbarungen mit dem Tage ihres Abschlusses wirksam. Eine Vereinbarung, die vor diesen Zeitpunkt zurückwirkt, ist nicht zulässig.
Lesen Sie: § 78d Absatz 2 SGB VIII
Von diesem Rückwirkungsverbot gibt es Ausnahmen, und zwar dann, wenn eine der Verhandlungsparteien einen Antrag auf Entscheidung der Schiedsstelle nach § 78g Absatz 1 SGB VIII stellt. Trifft die Schiedsstelle keine Entscheidung hinsichtlich des Inkrafttretens der Vereinbarung, werden Festsetzungen der Schiedsstelle mit dem Tag wirksam, an dem der Antrag bei der Schiedsstelle eintrifft. Setzt die Schiedsstelle den Zeitpunkt des Inkrafttretens fest, darf sie keinen Zeitpunkt wählen, der vor diesen Zeitpunkt (Antrageingang) zurückwirkt.
Lesen Sie: § 78g Absatz 3 SGB VIII
Eine entsprechende Regelung gilt, wenn es nicht zu einer Festsetzung durch die Schiedsstelle kommt, weil sich die Parteien einigen und vor der Schiedsstelle einen Vergleich schließen.
Lesen Sie: § 78d Absatz 2 Satz 2 2. Halbsatz SGB VIII
Die Verhandlungen über Leistung und Entgelt dauern in der Praxis regelhaft deutlich länger als 6 Wochen. Weil die Vereinbarungen grundsätzlich frühestens mit dem Tage ihres Abschlusses wirksam werden, laufen Einrichtungsträger bei langen Verhandlungsdauern Gefahr, ihr tatsächlich für die künftige Periode benötigtes Entgelt nicht zu erhalten. Die Stellung eines Schiedsstellenantrages ist für die Einrichtungsträger die Möglichkeit, dieses Problem zu durchbrechen. Oft ist es ratsam, dem Jugendamt die Gründe für die Stellung des Schiedsstellenantrages zu erläutern und weiterhin Verhandlungsbereitschaft zu signalisieren. Zum Teil gelingen nach Stellung eines Schiedsstellenantrages schnelle Einigungen.
Vereinbarungen nach § 78b SGB VIII werden von den Vertragsparteien in der Regel mit einer Laufzeit vereinbart. Praktikabel und üblich sind Jahresperioden. Nach Ablauf des Vereinbarungszeitraums gelten die vereinbarten Vergütungen bis zum Inkrafttreten neuer Vereinbarungen weiter. Vereinbarungen müssen deshalb nicht gekündigt werden, sondern werden bei Abschluss einer neuen Vereinbarung durch diese ersetzt.
Während der Laufzeit einer Vereinbarung „sperrt“ die bestehende Vereinbarung einen Neuabschluss. Die vereinbarten Leistungen und Entgelte sind während der Laufzeit bindend.
Dies folgt aus § 78d Absatz 1 SGB VIII, der von einem „Vereinbarungszeitraum“ spricht, i.V.m. Absatz 3, der eine Durchbrechung der Bindungswirkung nur im Ausnahmefall zulässt.
Die vereinbarten Leistungen und Entgelte sind für alle „belegenden“ Jugendämter bindend.
Lesen Sie: § 78e Absatz 1 SGB VIII
Diese Bindungswirkung kann nur in Ausnahmefällen durchbrochen werden. Kommt es zu
der Annahmen, die der Entgeltvereinbarung zugrunde lagen, sind die Entgelte auf Verlangen einer Vertragspartei für den laufenden Vereinbarungszeitraum neu zu verhandeln („Störung der Geschäftsgrundlage“, § 313 BGB).
Typisches Beispiel für eine solche unvorhersehbare wesentliche Änderungen war das Aufkommen der Corona-Pandemie Anfang 2020 und die daraus resultierenden Belastungen für die Einrichtungsträger.
Die Verhandlungen über Leistung, Entgelt und Qualitätsentwicklungsvereinbarung beginnen (nur), wenn eine der Parteien, also Einrichtungsträger oder Jugendamt zu Verhandlungen aufgefordert hat. In der Praxis erfolgt die Aufforderung zu Verhandlungen üblicherweise durch die Träger der freien Jugendhilfe, weil sie eine Neuvereinbarung, eine Änderung in der Leistungsvereinbarung und/oder eine Erhöhung im Leistungsentgelt begehren.
Die Aufforderung zu Verhandlungen muss schriftlich erfolgen. Es gilt also ein strenges Schriftformgebot. Schriftform bedeutet in der Regel, dass die Verhandlungsaufforderung eigenhändig vom Vertretungsberechtigten Organ des Einrichtungsträgers (i.d.R. GmbH: Geschäftsführer oder Vorstand) oder vom Inhaber unterzeichnet werden muss (vgl. § 126 Absatz 1 BGB). Für die Versendung sollte zur Absicherung die Form des Einschreibens gewählt werden. Die Schriftform kann auch durch elektronische Form eingehalten werden (vgl. § 126 Absatz 1 BGB). An die elektronische Form werden aber besondere Anforderungen im Hinblick auf die Identifikation des Absenders gestellt. Eine einfache E-Mail kann die Schriftform nicht wahren.
Unklar ist, ob die bloße Aufforderung zu Verhandlungen ausreicht oder ob mit der Aufforderung weitere Unterlagen, insbesondere die Leistungsbeschreibung und die Kalkulation, mit vorgelegt werden müssen. Das Gesetz macht insoweit keine Vorgaben. Es entspricht jedoch üblicher Praxis, dass mit der Kalkulation diejenigen Unterlagen vorgelegt werden, welche die Plausibilität des Angebotes belegen. Wichtig ist, dass Plausibilität nicht gleichzusetzen ist mit Kostennachweisen. Plausibilität kann sich auch aus der Kostenkalkulation selbst ergeben, wenn etwa bestimmte Personalkostensteigerungen aufgrund von Tarifsteigerungen auf der Hand liegen.
Der Einrichtungssitz kann identisch mit der Trägersitz sein. Gerade bei größeren und auch dezentral organisierten Einrichtungen fallen Trägersitz und Einrichtungssitz oft auseinander.
In der Rechtspraxis häufen sich Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Interpretation des Einrichtungsbegriffs bei dezentralen Einheiten. Bei dezentral organisierten Einrichtungen kommt es zunächst darauf an, ob die jeweiligen Untereinheiten als selbstständige Einrichtungen anzusehen sind oder ob sie Teil eines Einrichtungsganzen sind.
Die Niedersächsische Schiedsstelle nach § 78g SGB VIII beim Niedersächsisches Landesamt für Soziales, Jugend und Familie nach § 78g SGB VIII, Beschluss vom 17.05.2019, Aktenzeichen: 2JH3.14-51441-SV 25-26/2018 (frei zugängliches Dokument leider nicht verfügbar) hat sich in einem differenzierten Beschluss um Klärung bemüht und im Kern folgende Kriterien entwickelt:
Eine dezentrale Einheit ist nach Auffassung der Schiedsstelle dann als selbständige Einrichtung zu qualifizieren, wenn eine dezentrale Kompetenz im Personalbereich gegeben ist, wenn also etwa die Entscheidung über Einstellung und Kündigung, Abmahnung und Auswahlgespräche vor Ort getroffen werden. Eine wichtige Rolle wird auch dem arbeitsrechtlichen Aufsichts- und Direktionsrecht beigemessen. Auch auf die Entscheidungskompetenzen etwa zu Urlaubsplänen, Personaleinsatzplänen etc. wird abgestellt. Weiter spreche ein eigenes Budget für Eigenständigkeit. Ebenso die Kriterien: eigenständige Entscheidung über den Einsatz und Einkauf von alltäglichen Sachmitteln, Entscheidung über Aufnahme und Belegung vor Ort.
Auch die Rechtsprechung geht davon aus, dass eine Einrichtung sich über mehrere dezentral organisierte Standorte erstrecken kann.
Vgl.: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24.8.2017, 5 C 1/16, Rn. 11.
Sofern dezentrale Einheiten zu einem Einrichtungsganzen zusammengefasst werden können, stellt sich weiter die Frage, wo der Sitz bei solchen dezentral organisierten Einheiten ist. Der Einrichtungssitz liegt bei diesen Einrichtungen dort, wo der Schwerpunkt der Steuerungsverantwortung liegt.
Die mit dem örtlichen Träger abgeschlossenen Vereinbarungen sind für alle anderen Jugendämter bindend. Das bedeutet: Wurde die Leistung für die Betreuung durch einen bestimmten Träger bewilligt, kann es grundsätzlich keinen Streit über den Leistungsinhalt und über das Entgelt mehr geben.
Lesen Sie: § 78e Absatz 1 Satz 2 SGB VIII
Die Höhe der Leistungsentgelte ist zwischen den Vertragsparteien auszuhandeln. Die einzige gesetzliche Vorgabe zur Höhe der Leistungsentgelte findet sich in § 78b Absatz 2 Satz 1 SGB VIII, wonach die Vereinbarungen mit den Trägern abzuschließen sind, die unter Berücksichtigung der Grundsätze der Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erbringung der Leistung geeignet sind.
Lesen Sie: § 78b Absatz 2 Satz 1 SGB VIII
In Rechtsprechung und Literatur ist die Auslegung der Tatbestandsmerkmale „Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ seit Jahren umstritten. Die für die Jugendhilfe zuständigen Verwaltungsgerichte haben hierzu wenig entschieden. Das Bundesverwaltungsgericht geht in einer Entscheidung vom 1.12.1998 (s.u.) davon aus, dass die Beurteilung der Kriterien von „Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ einen sogenannten Vergleich voraussetzt. Dabei komme in Betracht, dass Entgelte verschiedener Einrichtungen für vergleichbare Leistungen verglichen werden („externer Vergleich“). Auch komme in Betracht, dass einzelne interne Positionen der Kalkulation eines Einrichtungsträgers gesondert daraufhin überprüft werden, ob sie einer sparsamen und wirtschaftlichen Betriebsführung entsprechen („interner Vergleich“).
BVerwG, Urteil vom 01. Dezember 1998 – 5 C 17/97:
„Erweist sich hiernach, daß der betreffende Einrichtungsträger der preisgünstigste Anbieter ist, reicht der „externe Vergleich“ aus. Kann der betreffende Einrichtungsträger hingegen nicht geltend machen, der günstigste Anbieter zu sein, kann er nach Maßgabe der Grundsätze des § 93 Abs. 2 Satz 3 BSHG und des Merkmals „leistungsgerechtes Entgelt“ in § 93 Abs. 2 Satz 2 BSHG nur berücksichtigt werden, wenn der von ihm gewünschte Pflegesatz innerhalb der Bandbreite der Entgelte für vergleichbare Leistungen anderer Einrichtungen liegt (sog. „marktgerechter“ Preis).“
„Dabei kommt in Betracht, daß Entgelte verschiedener Einrichtungen für vergleichbare Leistungen verglichen werden („externer Vergleich“) oder daß einzelne, interne Positionen der Pflegesatzkalkulation eines Einrichtungsträgers gesondert daraufhin überprüft werden, ob sie einer sparsamen und wirtschaftlichen Betriebsführung entsprechen („interner Vergleich“).“
Diese Überlegungen werden in neueren untergerichtlichen Entscheidungen im Wesentlichen wiederholt.
Unklar bleibt in sämtlichen Entscheidungen, ob die Wahl der Methode (externer oder interner Vergleich) frei gewählt werden kann und nach welchen Kriterien entweder auf die eine oder auf die andere Methode zurückgegriffen wird. In der jugendhilferechtlichen Literatur wird hierzu die Auffassung vertreten, dass es im Vergütungssystem des SGB VIII grundsätzlich auf einen externen Bandbreitenvergleich ankomme, weshalb der interne Kostenvergleich nur dann anzuwenden sei, wenn das verlangte Entgelt das durchschnittliche Entgelt übersteige.
Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, SGB VIII § 78b Rn. 17, beck-online; Zugang mit Bezahlschranke; freie zugängliches Dokument leider nicht verfügbar.
Diese Methode kann auch als „Bandbreitenvergleich“ bezeichnet werden.
Folgt man dieser – gut vertretbaren – Rechtsauffassung, hat dies erhebliche Auswirkung, sowohl auf die Frage der Offenlegung interner Kostenposition als auch auf die Frage der Erzielung und Geltendmachung von Gewinnen. Folgt man nämlich dieser Auffassung, kommt es auf die interne Kostenverteilung und auch auf die Frage, ob Einrichtungsträger mit dem betreffenden Entgelt einen Gewinn erzielen, nicht an, wenn sich die Gesamtvergütung innerhalb der Bandbreite vergleichbarer Entgelte bewegt. Es bedarf bei dieser Methode in der Regel, nämlich dann, wenn das Entgelt innerhalb der Bandbreite liegt, keines Rückgriffes auf interne Kostenpositionen und somit auch keiner Darlegung der internen Kostenpositionen. Jeder Nachweis interner Kostenpositionen erübrigt sich.
Einen anderen Weg geht die neuere Rechtsprechung der Sozialgerichte. Das Bundessozialgericht hatte sich ursprünglich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zum externen Vergleich angeschlossen, diese Rechtsprechung jedoch in einer Entscheidung zum SGB XI dahingehend modifiziert, dass der externe Vergleich nicht losgelöst von den tatsächlichen internen Gestehungskosten erfolgen könne. Der Einrichtungsträger müsse daher diese Gestehungskosten zunächst plausibel und nachvollziehbar darlegen. In einem zweiten Prüfungsschritt sei dann ein Vergleich mit den Vergütungen anderer Einrichtungen anzustellen. Ergebe sich, dass das Entgelt im unteren Drittel der Bandbreite liege, sei das Entgelt stets leistungsgerecht. Sei dies nicht der Fall, müssten die internen Kostenpositionen auf ihre Angemessenheit hin überprüft werden. Maßstab dieser Angemessenheitsprüfung seien nicht die tatsächlichen Kosten anderer Einrichtungen, sondern der für eine wirtschaftliche Betriebsführung „allgemein erforderliche Betriebsaufwand“.
Grundlegend: BSG, Urteil vom 29.01.2009 – B 3 P 7/08 R (Hervorhebung durch Verfasser):
„Die voraussichtlichen Gestehungskosten müssen plausibel und nachvollziehbar sein, also die Kostenstruktur des Pflegeheims erkennen und eine Beurteilung seiner Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall zulassen (§ 85 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 SGB XI). Deshalb hat das Pflegeheim zunächst geeignete Nachweise beizubringen; die Vorlage einer reinen Kostenkalkulation ohne weitere Angaben reicht in aller Regel nicht aus. Die Kostenkalkulation ist vielmehr hinreichend zu belegen und muss tatsächlich nachvollziehbar sein. Diesem Plausibilitätserfordernis wird etwa genügt, wenn Kostensteigerungen z.B. auf erhöhte Energiekosten zurückzuführen sind oder im Personalbereich auf die normale Lohnsteigerungsrate begrenzt bzw. durch Veränderungen im Personalschlüssel oder bei der Fachkraftquote bedingt sind. Nicht von vornherein als unplausibel ausgeschlossen ist auch die Erhöhung von Kostenansätzen, die in den Vorjahren aufgrund fehlerhafter Kalkulation oder sogar bewusst – etwa, um Marktsegmente zu erobern – zu niedrig angesetzt worden sind…“
„Obergrenze der Vergütungsforderung ist – auch bei nachvollziehbar prognostischen Gestehungskosten – das Maß des auch im Vergleich mit der Vergütung anderer Einrichtungen wirtschaftlich Angemessenen. Das folgt insbesondere aus § 84 Abs 2 Satz 4 und 7 SGB XI, mit dem der Gesetzgeber die Pflegevergütung in Abkehr vom Selbstkostendeckungsprinzip am Leitbild der Leistungsgerechtigkeit (§ 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI) ausgerichtet hat. Leistungsgerecht sind die Pflegesätze danach, soweit sie es einem Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen (§ 84 Abs 2 Satz 4 SGB XI). Insoweit sind Pflegesätze und Entgelte einerseits an den individuellen Besonderheiten des Pflegeheims auszurichten, als es um „seinen Versorgungsauftrag“ geht; Bezugspunkt hierfür ist der einrichtungsindividuelle Versorgungsauftrag, wie er sich aus dem Versorgungsvertrag und weiteren Vereinbarungen – insbesondere den LQV nach § 84 Abs 5 SGB XI idF des PflegeWEG – im Einzelfall ergibt. Maßstab der Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung ist andererseits nicht der im Einzelfall, sondern der dazu allgemein erforderliche Betriebsaufwand. (…) Zum Maßstab erhoben ist dadurch der generalisierte Vergütungsbedarf eines idealtypischen und wirtschaftlich operierenden Pflegeheimes …“
Diese Methode wird auch „modifizierter externer Vergleich“ genannt.
Folgt man dieser inzwischen gefestigten Rechtsprechung der Sozialgerichte, ist für die Beurteilung der Frage, ob ein Entgelt den Kriterien von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit genügt, entscheidend, ob die vom Einrichtungsträger dargestellten Kostenpositionen jeweils für sich plausibel und nachvollziehbar sind und ob sie einem „allgemein erforderlichen Betriebsaufwand“ entsprechen.
Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Rechtsprechung zum Leistungserbringungsrecht in der Kinder- und Jugendhilfe sich dieser Rechtsprechung so bislang nicht angeschlossen hat. Die Rechtsprechung der Sozialgerichte bezieht sich auf das Pflegeversicherungsrecht und das Eingliederungshilferecht, nicht aber auf das Kinder- und Jugendhilferecht.
Es ist deshalb davon auszugehen, dass der interne Kostenvergleich nur dann anzuwenden ist, wenn das verlangte Entgelt das durchschnittliche Entgelt übersteigt.
Aus der vom Bundesozialgericht formulierten Verpflichtung zur Plausibilisierung der Kostenansätze wird von den Kostenträgern oft umstandslos auf eine – tatsächlich so nicht bestehende – Verpflichtung der Einrichtungsträger geschlossen. Unabhängig von dem Einwand, dass diese Rechtsprechung nicht ohne weiteres auf das Jugendhilferecht übertragen werden kann, ist hiergegen einzuwenden:
Das Bundessozialgericht hat in der o.a. Entscheidung explizit darauf hingewiesen, dass eine Offenlegung zunächst voraussetzt, dass der Kostenträger die Angemessenheit der Kostenansätze „substantiiert bestreitet“. Ohne konkrete Darlegung, welche Kostenposition warum genau nicht für plausibel gehalten wird, ist jede Offenlegung ausgeschlossen.
BSG, Urteil vom 29.01.2009 – B 3 P 7/08 R (Hervorhebung durch Verfasser):
„Daraus erwächst für die Pflegekassen aus der im Rechtsverhältnis zu den Versicherten bestehenden Treuhänderstellung (vgl. BSGE 87, 199, 201 = SozR 3-3300 § 85 Nr. 1 S. 4) bereits auf dieser ersten Prüfungsstufe die Rechtspflicht, die von der Einrichtung vorgelegte Kalkulation in sich und ggf. auch im Vergleich mit den Werten anderer Einrichtungen auf Schlüssigkeit und Plausibilität in dem Sinne zu überprüfen, ob diese Kostenkalkulation eine nachvollziehbare Grundlage für die vergleichende Bewertung auf der zweiten Prüfungsstufe sein kann. Ist das nicht der Fall, haben die Pflegekassen den Einrichtungsträger bereits in dieser Phase der Prüfung substantiiert auf Unschlüssigkeiten im eigenen Vorbringen hinzuweisen oder durch geeignete Unterlagen anderer Einrichtungen mit Verweis auf deren Kostenstruktur konkret (!) darzulegen, dass die aufgestellte Kalkulation der voraussichtlichen Gestehungskosten nicht plausibel erscheint. Wird die Kostenprognose der Einrichtung durch ein solch substantiiertes Bestreiten der Kostenträger erschüttert, muss die Einrichtung wiederum im Nachweisverfahren nach § 85 Abs 3 Satz 3 und 4 SGB XI weitere Belege dafür beibringen, dass ihre Vergütungsforderung auf einer plausiblen Kalkulation der voraussichtlichen Gestehungskosten beruht. Entsprechendes gilt für das Schiedsstellenverfahren.“
Die Offenbarung von internen Kostenansätzen kann auch dann unterbleiben, wenn die Kostenansätze auch auf andere Weise plausibel gemacht werden können. Dies ist häufig der Fall, zum Beispiel, wenn die Steigerung auf erhöhte Energiekosten zurückzuführen ist oder im Personalbereich auf die normale Lohnsteigerungsrate begrenzt bzw. durch Veränderungen im Personalschlüssel oder bei der Fachkraftquote. Die Offenbarung interner Kostenansätze ist daher nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Die internen Kostenansätze sind grundsätzlich als Geschäfts- und Betriebsgeheimnis geschützt.
BSG, Urteil vom 29.01.2009 – B 3 P 7/08 R:
„Soweit danach Angaben über Kostenstrukturen und betriebswirtschaftliche Kennzahlen verlangt werden, die im allgemeinen Geschäftsverkehr üblicherweise nicht zu offenbaren sind, hält der Senat dies wegen der sozialrechtlichen Bindung aller Beteiligter (§ 1 SGB XI) für hinnehmbar. Zu beachten ist jedoch, dass die Anforderung solch weitgehender Auskünfte durch die Pflegekassen bzw. die Schiedsstellen einen besonders intensiven Eingriff in die Rechtssphäre einer Pflegeeinrichtung darstellt und deshalb auf Ausnahmen zu beschränken ist, in denen die prognostische Angemessenheit der geltend gemachten Kostenansätze anders nicht ermittelbar ist.“
Zu den umstrittensten Fragen im Entgeltrecht gehört die Frage, ob es Einrichtungsträgern erlaubt ist, Gewinne zu erzielen. Im Bereich des Kinder- und Jugendhilferechts liegt hierzu keine Rechtsprechung vor. Wohl aber existiert eine Rechtsprechung zu Bereich des Pflegeversicherungsrechts und der Eingliederungshilfe. Diese Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit lässt sich auf den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe übertragen.
Den Einrichtungsträgern muss die Möglichkeit gegeben sein, einen angemessenen Gewinn zu erzielen. Die Einrichtungsträger können im prospektiven Entgeltsystem Verluste machen. Vor allem aus Gründen der Risikovorsorge muss es Einrichtungsträgern daher auch erlaubt sein, Gewinne zu erzielen. Nicht abschließend geklärt ist bislang die zulässige Höhe der Gewinnmarge. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Gewinnmarge einrichtungsinidviduell zu bestimmen. Insbesondere müsse geprüft werden, ob andere Positionen der Kalkulation ausreichend Möglichkeiten zur Gewinnerzielung zuließen (Beispiel: Auslastungsquote).
Einrichtungsträger müssen regelmäßig Investitionen in Vermögensgegenstände tätigen. Investitionen sind langfristige Bindungen finanzieller Mittel in materielle oder in immaterielle Vermögensgegenstände. Es geht dabei um
Einrichtungsträger benötigen für Investitionen, die die Vergütung erhöhen, eine Zustimmung des zuständigen Jugendamtes.
Fehlende Zustimmungen führen in Entgeltverhandlungen immer wieder dazu, dass die Jugendämter Investitionen nicht anerkennen. Dies zu Recht. Einrichtungsträger sind daher gehalten, bevorstehende Investitionen dem Jugendamt anzuzeigen und die Zustimmung zur Investition zu beantragen.
Die Zustimmung steht grundsätzlich im Ermessen des Jugendamtes. Dieses muss aber pflichtgemäß ausgeübt werden. Die Zustimmung darf also nicht willkürlich und ohne Begründung verweigert werden.
Handelt es sich um Investitionen, die für die Aufrechterhaltung des Betriebes, die Umsetzung behördlicher Vorgaben oder die Umsetzung der Leistungsbeschreibung zwingend erforderlich sind, besteht ein Rechtsanspruch auf Zustimmung.
Beispiel: Vorgabe des Landesjugendamtes, in einem Gebäude Schutzgitter vor einer Heizung einzubauen, um Verletzungen zu verhindern, Brandschutzauflagen, Ersatzbeschaffungen, etc.
Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen sind sogenannte öffentlich-rechtliche Verträge und sind deshalb schriftlich zu schließen.
Lesen Sie: § 56 SGB X und § 134 BGB
Werden Sie nicht schriftlich geschlossen, sind sie nichtig und haben keine Geltung.
Vgl.: § 58 Absatz 1 SGB X i.V.m. § 134 BGB
Beim Rechtsschutz sind im Kontext des Einrichtungsfinanzierungsrechts zwei Fallvarianten zu unterscheiden:
Streiten die Parteien um eine Vereinbarung nach § 78b SGB VIII müssen sie zunächst die Schiedsstelle anrufen und deren Entscheidung beantragen. Ist eine der Parteien mit der Entscheidung der Schiedsstelle nicht einverstanden, kann hiergegen Klage beim Verwaltungsgericht erhoben werden.
Wird die Zustimmung zur Investition verweigert, kann hiergegen unmittelbar beim Verwaltungsgericht geklagt werden. Zuständig ist das Verwaltungsgericht am Sitz des Jugendamtes.
Die Schiedsstellen entscheiden auf Antrag einer Partei, also entweder auf Antrag des Einrichtungsträgers oder auf Antrag des Jugendamtes, wenn innerhalb von 6 Wochen nach der schriftlichen Aufforderung zur Verhandlung keine Einigung zwischen den Verhandlungspartnern zustande gekommen ist. Das Schiedsstellenverfahren beginnt also nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag einer Partei. In der Regel wird dieser Antrag durch den Einrichtungsträger gestellt, weil dieser vor dem Hintergrund stetig steigender Kosten ein wirtschaftliches Interesse an Neuabschlüssen hat.
Lesen Sie: § 78g Absatz 1 SGB VIII
Die Schiedsstellen sind mit einem unparteiischen Vorsitzenden und mit einer gleichen Zahl von Vertretern der öffentlichen Jugendhilfe sowie von Vertretern der Träger der Einrichtungen zu besetzen. Weitere Einzelheiten zur Besetzung der Schiedsstellen, zur Anzahl, Bestellung und Amtsdauer der Mitglieder, zur Geschäftsführung, zum Verfahren, zu Gebühren und Kosten sowie zur Rechtsaufsicht sind in den Verordnungen der Bundesländer nach § 78g Absatz 4 SGB VIII geregelt.
Gegen die Entscheidungen der Schiedsstellen können beide Parteien Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben. Dabei ist zu beachten, dass Klagegegner nicht die Schiedsstelle, sondern die jeweils andere Partei ist. Ein Widerspruchsverfahren ist nicht erforderlich.
Lesen Sie: § 78g Absatz 2 – 4 SGB VIII
Soweit Streitgegenstand eine verweigerte Zustimmung zu einer Investition (§ 78c Absatz 2 Satz 3 SGB VIII) ist, kann diese verweigerte Zustimmung nicht durch die Schiedsstelle ersetzt werden. Wird eine Zustimmung auch während eines laufenden Verhandlungsprozesses und auch während eines Schiedsstellenverfahrens nicht erteilt, kann sie nur in einem Verwaltungsprozess durchgesetzt werden. Der betroffene Einrichtungsträger müsste also Klage vor dem Verwaltungsgericht auf Zustimmung zu der konkret zu bezeichnenden Investition erheben. Ein Widerspruchsverfahren muss nicht durchgeführt werden, weil es sich bei der Zustimmung bzw. der Verweigerung nicht um einen Verwaltungsakt handelt.
Die kommunalen Spitzenverbände auf Landesebene schließen mit den Verbänden der Träger der freien Jugendhilfe und den Vereinigungen sonstiger Leistungserbringer auf Landesebene Rahmenverträge über den Inhalt der Vereinbarungen nach § 78f Absatz 1 SGB VIII.
Lesen Sie: § 78f Satz 1 SGB VIII
Rahmenverträge enthalten in der Regel Vorgaben zu einzelnen Bestandteilen der Leistungsbeschreibung sowie des Leistungsentgeltes. So enthalten zum Beispiel einige Rahmenverträge Standardwerte zu bestimmten Kostenarten (etwa Sachkosten). Hierbei handelt es sich aber um Richtwerte, bei deren Einhaltung die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Kostenansätze vermutet wird.
Rahmenverträge gelten nicht von sich aus, sondern nur dann, wenn beide Parteien jeweils Mitglied im jeweiligen Verband sind und wenn sie dem Rahmenvertrag durch Erklärung beigetreten sind. Wichtig ist weiter, dass Rahmenverträge – wie der Name sagt – einen Rahmen für den Abschluss von Verträgen bilden, dessen Einhaltung Leistungsgerechtigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vermuten lässt. Dieser Rahmen lässt jedoch Raum für abweichende Vereinbarungen und auch Festsetzungen der Schiedsstelle. Rahmenverträge haben keine Gesetzeskraft. Außerdem können auch Rahmenverträge Klauseln enthalten, die gegen Bundesrecht verstoßen. Die Rahmenverträge selbst müssen daher auch auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft werden.