Florian Gerlach

Seminare zum „Recht der Sozialen Arbeit“

Evangelische Hochschule Bochum

Grundlagen des Famlienrechts

Einführung

Das Familienrecht ist kein Gegenstand des Eingliederungshilferechts. Es ist nicht Aufgabe der Verfahrenslotsinnen und Verfahrenslotsen zu famlienrechtlichen Fragestellungen zu beraten. Das Unterstützungsgebot des § 10b SGB VIII ist ausdrücklich nur auf Leistungen der Eindliederungshilfe beschränkt.

Gleichwohl müssen Verfahrenslotsinnen mit den Grundstrukturen des elterlichen Sorgerechts vertraut sein. Es werden deshalb folgende Gegenstände das Familienrechts überblicksartig dargestellt:

  • Verwandschaft
  • Abstammung, insbesondere Vaterschaft
  • Sorgerecht
  • Vormundschaft
  • Pflegschaft

Verwandtschaft

In dieser Lektion befassen wir uns mit folgenden Fragen:

  • Wer ist mit wem verwandt?
  • Was sind die Grade der Verwandtschaft?
  • Was ist Verwandtschaft in gerader Linie und in der Seitenlinie?
  • Welche Konsequenzen hat festgestellte Verwandtschaft?

Nach § 1589 Abs. 1 S. 1 BGB sind Personen, „deren eine von der anderen abstammt”, in gerader Linie verwandt. Personen, die nicht in gerader Linie miteinander verwandt sind, aber von derselben dritten Person abstammen, sind nach § 1589 Abs. 1 S. 2 BGB in der Seitenlinie verwandt. Damit ist zweierlei geregelt: Erstens ist Verwandtschaft im rechtlichen Sinne eine Frage der Abstammung. Wer also prüfen will, ob Personen miteinander verwandt sind, muss prüfen, ob sie entweder voneinander oder von derselben dritten Person abstammen. Dies ist eine Rechtsfrage, die sich im Einzelnen in Anwendung der Regeln des Abstammungsrechts (§§ 1589 – 1600e) BGB beantwortet. Zweitens kennt das Recht unterschiedliche Kategorien der Verwandtschaft, nämlich die Verwandtschaft in gerader Linie und die Verwandtschaft in der Seitenlinie.

Lesen Sie: § 1589 BGB

Beispiel – Verwandtschaft in gerader Linie:

Im folgenden Bild sind Mutter und Kind miteinander verwandt, weil „die eine von der anderen abstammt”. Tochter und Mutter sind außerdem in gerader Linie miteinander verwandt.

Beispiel – Verwandtschaft in der Seitenlinie:

Im folgenden Bild sind Kind 1 und Kind 2 in der Seitenlinie miteinander verwandt, weil sie von derselben dritten Person, nämlich der Mutter, abstammen. Die Kinder sind im Verhältnis zur Mutter und zur Oma in gerader Linie verwandt.

Konsequenzen von Verwandtschaft und Schwägerschaft

Grad und Art der Verwandtschaft haben Einfluss auf Unterhaltspflichten, Umgangsrecht und Sorgerecht.

Unterhalt

Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

Lesen Sie: § 1601 BGB.

Beispiel – Unterhalt

Im folgenden Bild sind zum Beispiel die Kinder und der Vater miteinander in gerader Linie verwandt, weil nach den Regeln des Abstammungsrechtes eine Vaterschaft im Rechtssinne besteht. Auch sind die Kinder mit der Mutter und der Oma in gerader Linie verwandt. Daher schulden grundsätzlich alle einander Unterhalt. Eine tatsächliche Pflicht, Unterhalt zu leisten, besteht im Einzelfall aber nur dann, wenn die Person, die Unterhalt verlangt, auch bedürftig ist. Der häufigste Fall ist deshalb die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren bedürftigen Kindern. Werden aber die Eltern (z.B. im Alter) bedürftig müssen auch die Kinder ihren Eltern Unterhalt zahlen.

Verwandtschaft in gerader Linie löst damit (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) unmittelbar Unterhaltspflichten aus. Häufig geht es um Unterhaltsansprüche gegenüber Vätern: dabei ist also zunächst zu prüfen, ob diejenige Person, die als Vater in die Pflicht genommen werden soll, auch Vater im Rechtssinne ist. Ist dies zwischen den Parteien strittig, kann der Unterhaltsanspruch nur realisiert werden, wenn zuvor die Vaterschaft anerkannt oder gerichtlich festgestellt wird.

Umgangsrecht

Ähnlich liegt es beim Umgangsrecht: Eltern und damit auch Väter im Rechtssinne haben automatisch ein Umgangsrecht mit dem Kind (§ 1684 Abs. 1 BGB). Weiterer Voraussetzungen als der Vaterschaft im Rechtssinne bedarf es nicht.

Sorgerecht

Der Vater hat automatisch ein Sorgerecht, wenn er mit der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet ist (§ 1626 Abs. 1 BGB). Ist er nicht mit der Mutter verheiratet, kann er nur das Sorgerecht für ein Kind erlangen, wenn er im rechtlichen Sinne Vater des Kindes wird. Zusätzlich bedarf es aber einer gemeinsamen Sorgeerklärung mit der Mutter oder einer Heirat (§ 1626a BGB). Vaterschaft führt also automatisch zum Umgangsrecht, nicht aber automatisch zum Sorgerecht.

Rechte nach § 10b SGB VIII

Das Recht von Verwandtschaft und Abstammung hat unmittelbare Wirkung auch auf die Rechte nach § 10b SGB VIII. Inhaber des Anspruchs auf Unterstützung und Begleitung sind zunächst Väter und Mütter. Vaterschaft und Mutterschaft sind Rechtsbegriffe, die durch § 1591 BGB (Mutterschaft) und § 1592 BGB bestimmt werden. Wer nach diesen Regelungen Mutter oder Vater ist, hat Anspruch auf Begleitung und Unterstützung. Wer die Voraussetzungen der vorgenannten Paragrafen nicht erfüllt hat keinen Anspruch.

Beispiel: Herr Rochtlitz ist leiblicher Vater des Kindes Cara. Cara ist zwei Jahre alt und hat eine Trisomie 21. Er möchte Unterstützung durch das Jugendamt. Er hat weder die Vaterschaft anerkannt, noch war er zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet noch wurde die Vaterschaft gerichtlich festgestellt. Kurzum: er ist zwar leiblicher aber nicht rechtlicher Vater von Cara. Konsequenz: es besteht kein Anspruch nach § 10b SGB VIII.