In dieser Lektion befassen wir uns mit folgenden Fragen:
Podcast: Verwandtschaft und Schwägerschaft
Nach § 1589 Abs. 1 S. 1 BGB sind Personen, „deren eine von der anderen abstammt”, in gerader Linie verwandt. Personen, die nicht in gerader Linie miteinander verwandt sind, aber von derselben dritten Person abstammen, sind nach § 1589 Abs. 1 S. 2 BGB in der Seitenlinie verwandt. Damit ist zweierlei geregelt: Erstens ist Verwandtschaft im rechtlichen Sinne eine Frage der Abstammung. Wer also prüfen will, ob Personen miteinander verwandt sind, muss prüfen, ob sie entweder voneinander oder von derselben dritten Person abstammen. Dies ist eine Rechtsfrage, die sich im Einzelnen in Anwendung der Regeln des Abstammungsrechts (§§ 1589 – 1600e) BGB beantwortet. Zweitens kennt das Recht unterschiedliche Kategorien der Verwandtschaft, nämlich die Verwandtschaft in gerader Linie und die Verwandtschaft in der Seitenlinie.
Lies: § 1589 BGB
Beispiel: Im folgenden Bild sind Mutter und Kind miteinander verwandt, weil „die eine von der anderen abstammt”. Tochter und Mutter sind außerdem in gerader Linie miteinander verwandt
Beispiel: Im folgenden Bild sind Kind 1 und Kind 2 in der Seitenlinie miteinander verwandt, weil sie von derselben dritten Person, nämlich der Mutter, abstammen. Die Kinder sind im Verhältnis zur Mutter und zur Oma in gerader Linie verwandt.
Grad der Verwandtschaft
Darüber hinaus kennt das Gesetz Verwandtschaftsgrade: Der Grad der Verwandtschaft bestimmt sich gemäß § 1589 Abs.1 S. 3 BGB nach der Zahl der sie „vermittelnden“ Geburten. Vermittelnd ist eine Geburt dann, wenn sie „zwischen“ zwei Personen liegt.
Lies. § 1589 BGB
Beispiele:
– 1. Grad: Kind – Mutter (die Verwandschaft wird durch eine Geburt vermittelt)
– 2. Grad: Kind – Oma (die Verwandschaft wird durch zwei Geburten über die Mutter vermittelt)
– 2. Grad: Geschwister im Verhältnis zueinander (die Verwandtschaft wird durch zwei Geburten über die Mutter „vermittelt“)
– 3. Grad: Tante – Kind (die Verwandtschaft wird durch drei Geburten über die Oma „vermittelt“)
– 4. Grad: Kind – Cousin/Cousine (die Verwandtschaft wird durch vier Geburten über die Großeltern „vermittelt“)
Der rechtliche Begriff der Schwägerschaft weicht vom landläufigen ab: Alle (!) Verwandten des Ehegatten sind mit dem anderen Ehegatten verschwägert.
Lies: § 1590 BGB.
Beispiel – Schwägerschaft
Im folgenden Bild ist der Vater mit allen Verwandten der Mutter verschwägert. Also mit der Oma, der Tante, der Cousine/dem Cousin. Im allgemeinen Sprachgebrauch wäre er nur mit der Tante (der Schwester der Mutter) verschwägert.
Genauso wie bei der Verwandtschaft gibt es auch bei der Schwägerschaft Grade und Linien. Diese richten sich nach den Graden und Linien der jeweiligen Verwandtschaft auf Seiten des Partners (vgl. § 1590 Abs. 1 BGB). So ist der Vater im obigen Bild in gerader Linie mit der Oma verschwägert, weil die Mutter in gerader Linie mit der Oma verwandt ist.
Grad und Art der Verwandtschaft haben Einfluss auf Unterhaltspflichten, Umgangsrecht und Sorgerecht.
Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.
Lies: § 1601 BGB.
Beispiel – Unterhalt
Im folgenden Bild sind zum Beispiel die Kinder und der Vater miteinander in gerader Linie verwandt, weil nach den Regeln des Abstammungsrechtes eine Vaterschaft im Rechtssinne besteht. Auch sind die Kinder mit der Mutter und der Oma in gerader Linie verwandt. Daher schulden grundsätzlich alle einander Unterhalt. Eine tatsächliche Pflicht, Unterhalt zu leisten, besteht im Einzelfall aber nur dann, wenn die Person, die Unterhalt verlangt, auch bedürftig ist. Der häufigste Fall ist deshalb die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren bedürftigen Kindern. Werden aber die Eltern (z.B. im Alter) bedürftig müssen auch die Kinder ihren Eltern Unterhalt zahlen.
Verwandtschaft in gerader Linie löst damit (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) unmittelbar Unterhaltspflichten aus. Häufig geht es um Unterhaltsansprüche gegenüber Vätern: dabei ist also zunächst zu prüfen, ob diejenige Person, die als Vater in die Pflicht genommen werden soll, auch Vater im Rechtssinne ist. Ist dies zwischen den Parteien strittig, kann der Unterhaltsanspruch nur realisiert werden, wenn zuvor die Vaterschaft anerkannt oder gerichtlich festgestellt wird.
Ähnlich liegt es beim Umgangsrecht: Eltern und damit auch Väter im Rechtssinne haben automatisch ein Umgangsrecht mit dem Kind (§ 1684 Abs. 1 BGB). Weiterer Voraussetzungen als der Vaterschaft im Rechtssinne bedarf es nicht.
Der Vater hat automatisch ein Sorgerecht, wenn er mit der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet ist (§ 1626 Abs. 1 BGB). Ist er nicht mit der Mutter verheiratet, kann er nur das Sorgerecht für ein Kind erlangen, wenn er im rechtlichen Sinne Vater des Kindes wird. Zusätzlich bedarf es aber einer gemeinsamen Sorgeerklärung mit der Mutter oder einer Heirat (§ 1626a BGB). Vaterschaft führt also automatisch zum Umgangsrecht, nicht aber automatisch zum Sorgerecht. Im Folgenden Kapitel soll es im einzelnen um die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Vaterschaft im Rechtssinne gehen.
Verwandschaft und Schwägerschaft