Junge Menschen mit Behinderungen können Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB VIII haben. Das Kinder- und Jugendhilferecht ist damit Teil des sogenannten Rehablitationsrechts, welches die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen regelt. § 35a SGB VIII ist die Anspruchgrundlage für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige mit einer seelischen Behinderung. Art und Form der Leistungen sind im SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen geregelt geregelt.
Im Folgenden werden die Voraussetzungen der Eingliederungshilfe sowie Besonderheiten der Leistungsgewährung nach dem SGB VIII erläutert. Die Eingliederungshilfe nach dem SGB VIII ist in § 35a SGB IX geregelt.
Auf einen Blick: Eingliederungshilfeleistungen nach dem SGB VIII erhalten Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene mit seelischen Beeinträchtigungen.
Zur Erinnerung: Eingliederungshilfeleistungen nach dem SGB XI erhalten Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene mit wesentlichen (drohenden) körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen.
An die Gewährung einzelner Eingliederungshilfeleistungen sind zusätzliche besondere Voraussetzungen geknüpft. Die besonderen Voraussetzungen werden bei den jeweiligen Leistungen der Eingliederungshilfe aufgeführt.
Der Kreis der leistungsberechtigten Personen, also derjenigen Menschen, denen Leistungen der Eingliederungshilfe zustehen können, ist begrenzt.
Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
Lesen Sie: § 35a Abs. 1 S. 1 SGB VIII
Eingliederungshilfe nach dem SGB IX erhalten Kinder und Jugendliche, also Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Kind ist, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist.
Lesen Sie: § 35a Abs. 1 S. 1 SGB VIII und § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VIII
Auch junge Volljährige können Eingliederungshilfe erhalten. Die Eingliederungshilfe für junge Volljährige wird im Rahmen der Hilfen für junge Volljährige erbracht. Das Kinder- und Jugendhilferecht richtet sich nämlich in erster Linie an Kinder und Jugendliche, erkennt aber an, dass auch junge Volljährige bis zum 27. Lebensjahr besonderen Unterstützungsbedarf haben können. Daher hat der Gesetzgeber die Hilfen für junge Volljährige geschaffen. Tatsächlich haben viele junge Menschen auch nach Erreichen der Volljährigkeitsgrenze Unterstützungsbedarf und erfahren diese Unterstützung in der Regel auch familiär. Junge Menschen, die auf die familiären Systeme nicht zurückgreifen können oder die einen Unterstützungsbedarf haben, der durch ein familiäres System nicht aufgefangen werden kann, erhalten auch nach Erreichen der formalen Volljährigkeitsgrenze (vgl. § 2 BGB) weiter Unterstützung durch das System Jugendhilfe.
Lesen Sie: § 41 Abs. 2 SGB VIII
Um zu ermitteln, ob eine Person, die
noch Eingliederungshilfe nach dem SGB VIII erhalten kann oder nicht, müssen die Voraussetzungen der Hilfen für junge Volljährige geprüft werden.
Die Hilfen werden erbracht, wenn und solange die Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt, bei Vorliegen der Voraussetzungen hat die Behörde dann eine gebundene Entscheidung zu treffen; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Der Behörde steht also ab dem 22. Lebensjahr ein Entscheidungsspielraum zu („Soll-Verschrift“: begrenztes Ermessen), ob sie Hilfen für junge Volljährige einschließlich der Eingliederungshilfeleistungen erbringt.
Lesen Sie: § 41 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB VIII
Scheiden Hilfen für junge Volljährige aus, weil die Voraussetzungen fehlen, so kommt für diese Menschen Eingliederungshilfe nach dem SGB IX in Betracht.
Im Einzelnen:
Der Anspruch auf Hilfe für junge Volljährige wurde durch das „Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG“ (Bundesgesetzblatt Teil I, Nr. 29 vom 09.06.2021) wesentlich gestärkt. Mit der Neufassung des § 41 Abs. 1 S.1 SGB VIII wurde zunächst der Tatbestand der Vorschrift geschärft: Wenn die Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet, ist Hilfe zu gewähren. Neben der Präzisierung des Tatbestandes ist die Vorschrift nunmehr klar als Rechtsanspruch (zuvor: Soll-Leistung) formuliert.
Die Begründung zum Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 19/26107, S. 94) formuliert zur Neuregelung:
„Der Prüfungsauftrag an den öffentlichen Träger lautet künftig, festzustellen, ob im Rahmen der Möglichkeiten des jungen Volljährigen die Gewährleistung einer Verselbstständigung nicht oder nicht mehr vorliegt. Ist dies der Fall, so muss dem jungen Volljährigen in jedem Fall eine geeignete und notwendige Hilfe (weiterhin) gewährt werden.“
Die Anforderungen an die Prognoseentscheidung des öffentlichen Trägers sind damit im Vergleich zur geltenden Regelung des § 41 Abs.1 S.1 SGB VIII geschärft, rechtsklarer und rechtssicherer gefasst. Es wird nunmehr klargestellt: Eine Hilfegewährung nach § 41 SGB VIII verlangt keine Prognose dahingehend, dass die Befähigung zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres oder bis zu einem begrenzten Zeitraum darüber hinaus erreicht werden muss. Die Prognoseentscheidung nach dem neu gefassten Satz 1, die der öffentliche Träger zu treffen hat, erfordert künftig vielmehr eine „Gefährdungseinschätzung“ im Hinblick auf die Verselbständigung.
Vgl. Bundestagsdrucksache 19/26107, S. 94:
„Eine Hilfegewährung nach § 41 SG VIII verlangt keine Prognose dahingehend, dass die Befähigung zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres oder bis zu einem begrenzten Zeitraum darüber hinaus erreicht wird.“
Damit wird deutlich, dass die Neuregelung nach der Intention des Gesetzgebers mehr ist, als eine redaktionelle Klarstellung.
Der Anspruch ist zu einem Rechtsanspruch aufgewertet worden.
Zum Rechtsanspruchscharakter der Vorschrift, vgl.: VG München, Beschluss vom 30. Juni 2021 – M 18 E 21.3326 –, Rn. 1 sowie Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 20. Dezember 2021 – 2 B 266/21 –, Rn. 1 (beide Entscheidungen sind nach Inkrafttreten der Neuregelung ergangen).
Ergibt die “Gefährdungseinschätzung”, dass eine Verselbständigung aufgrund der Persönlichkeitsentwicklung gefährdet ist, ist Hilfe zu gewähren.
Diese Auslegung entspricht zwar ständiger Rechtsprechung und auch der herrschenden Auffassung in der Literatur, wurde aber in der Praxis immer wieder missachtet. Regelmäßig wurden Hilfen mit der Begründung verweigert, eine erfolgreiche Verselbständigung sei innerhalb der in § 41 SGB VIII genannten Zeiträume nicht zu erreichen.
Die Hilfe richtet sich an junge Volljährige im Altern von 18 bis 26 Jahre.
Lesen Sie: § 7 Abs.1 Nr.3 SGB VIII
§ 41 SGB VIII differenziert bei den jungen Volljährigen zwei Gruppen: diejenigen im Alter von 18 bis 20 Jahren einerseits und diejeningen von 18 – 26 Jahren andererseits.
Lesen Sie: § 41 Abs.1 S.2 SGB VIII
In der Altersgruppe von 18 bis 20 haben ist jungen Volljährigen Hilfe zu gewähren, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen von § 41 Abs.1 S.1 SGB VIII vorliegen. Siehe dazu oben unter „Voraussetzungen“.
Insbesondere kann die Hilfe auch erst mit der Volljährigkeit beginnen. Es ist nicht notwendig, dass die Hilfe schon während der Zeit der Minderjährigkeit gewährt wurde.
Im Alter von 21 bis 26 Jahren kann die Hilfe nur in begründeten Einzelfällen und auch nur dann gewährt werden, wenn bereits vor dem 21. Lebensjahr Hilfe für junge Volljährige gewährt wurde.
Typische Fälle für eine Fortsetzung der Hilfe über das 21. Lebensjahr hinaus sind solche, in denen die Hilfe weiter gewährt werden muss, weil die berufliche oder schulische Ausbildung noch nicht abgeschlossen ist.
Ein weiterer in der Praxis häufig umstrittener Punkt wurde vom Gesetzgeber aufgegriffen, nämlich die Frage ob die Unterbrechung einer Hilfe die erneute Gewährung von Hilfe ausschließt. Ausdrücklich formuliert nun § 41 Abs.1 S.3 SGB VIII, dass eine Beendigung der Hilfe die erneute Gewährung von Hilfe nicht ausschließt. Temporäre Hilfeabbrüche können den Hilfesuchenden damit nicht mehr entgegengehalten werden. Außerdem spielt die Vorschrift im Kontext der Fortsetzungshilfen für über 21-jährige eine entscheidende Rolle. Haben sie vor Beendigung des 21. Lebensjahres die Hilfe unterbrochen und wollen sie diese nach Vollendung des 21. Lebensjahres wieder aufnehmen, kann ihnen der Hilfeabbruch nicht entgegengehalten werden, denn die Neureglung spricht ausdrücklich davon, dass eine Beendigung der Hilfe auch im Hinblick auf eine “Fortsetzung” der Hilfe unschädlich ist. Der Wortlaut nimmt also ausdrücklich auf die Regelung zur Fortsetzungshilfe nach Vollendung des 21. Lebensjahres Bezug.
Hinsichtlich der Art und Ausgestaltung der Hilfe verweist § 41 Abs.2 SGB VIII auf die Hilfen zur Erziehung und die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche.
Lesen Sie: § 41 Abs.2 SGB VIII
Im Ergebnis sind dort alle Vorschriften aufgezählt, die solche Hilfearten enthalten, die auch eine Verselbstständigung des jungen Menschen ermöglichen können. Dagegen sind solche Hilfearten, die einen familiären Bezug haben und darauf ausgerichtet sind das „System Familie“ zu stärken, ausgeschlossen. In der Praxis haben sich neben so genannten Regelangeboten für junge Volljährige eine Reihe von Spezialangeboten insbesondere für junge Frauen, Suchtkranke und psychisch kranke junge Menschen herausgebildet.
Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe bereits ab einem Jahr vor einer etwa beabsichtigten Beendigung der Hilfe prüfen, ob ein Zuständigkeitsübergang auf andere Leistungsträger in Betracht kommt.
Lesen Sie: § 41 Abs.3 SGB VIII
Insbesondere kommen folgende Leistungen in Betracht:
Im Zusammenhang mit der Beantragung von Leistungen nach § 41 SGB VIII kommt es immer wieder zu Abgrenzungsschwierigkeit im Zusammenhang mit anderen Leistungen. So werden Hilfesuchenden unter Verweis auf die Zuständigkeit anderer Leistungsträger Hilfen verweigert. Hilfesuchende, die nicht die Fähikgeiten und die Kraft haben, um weitere Hilfen nachzusuchen, erhalten keine Hilfe.
Insbesondere kann ein Anspruch auf folgende weitere Leistungen bestehen:
Praxistipp:
Wenn Behörden sich gegenseitig verantwortlich machen und gegenseitig die Zuständigkeit zuweisen, ist es sinnvoll, Anträge bei allen in Betracht kommenden Sozialleistungsträgern zu stellen. Wenn also zum Beispiel das Jugendamt bei einem Antrag nach § 41 SGB VIII auf das Sozialamt verweist und das Sozialamt umgekehrt bei einem Antrag für Leistungen nach § 67 SGB XII auf das Jugendamt verweist, ist es wichtig, bei beiden Behörden formal Anträge zu stellen.
Weiter sollte dann, wenn die Behörden gegenseitig auf die Zuständigkeit der jeweils anderen Behörde verweisen, bei der Behörde, bei der zuerst die Leistung beantragt wurde, ein Antrag auf vorläufige Leistungen nach § 43 Abs.1 S.2 SGB I gestellt werden.
Insgesamt sind bei solchen Zuständigkeitsstreits also drei schriftliche Anträge erforderlich:
- Antrag bei Behörde A (zum Beispiel dem Jugendamt nach § 41 SGB VIII)
- Antrag bei Behörde B (zum Beispiel beim Sozialamt nach § 67 SGB XII)
- Antrag bei Behörde A auf vorläufige Leistungen nach § 43 SGB I.
§ 41a SGB VIII weitet den vormals in § 41 Abs.3 VIII geregelten Anspruch junger volljähriger Hilfebedürftiger auf nachgehende Betreuung aus. Er ist nunmehr ausdrücklich als Anspruch auf “Nachbetreuung” in Form eines Rechtsanspruchs (zuvor: “Soll-Regelung”) ausgestaltet. Die Beratung und Unterstützung hat in einer für die Zielgruppe verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form zu erfolgen.
Hervorzuheben ist auch, dass die “Nachbetreuung” auch nach Abschluss der vorgehenden Hilfe für junge Volljährige im Hilfeplan dokumentiert werden muss. Außerdem besteht ein Gebot zur regelmäßigen Kontakaufnahme mit dem jungen volljährigen Menschen. Insgesamt wurde der Anspruch auf Nachbetreuung durch die Aufwertung des materiellen Anspruchs sowie durch die Vorgaben zur Hilfeplanung und Kontaktaufnahme deutlich gestärkt.
Lesen Sie: § 41a SGB VIII
Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB VIII erhalten ausschließlich Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit seelischen Behinderungen.
Ihnen wird Eingliederungshilfe gewährt, wenn
Lesen Sie: § 35a Abs. 1 S. 1 SGB VIII
Der zweigliedrige Behinderungsbegriff setzt sich daher zusammen aus
Lesen Sie: BVerwG 26.11.1998 – 5 C 38.97
Um festzustellen, ob eine seelische Beeinträchtigung vorliegt, hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
einzuholen.
Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) in der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Enthält die Stellungnahme auch Ausführungen zu der Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Teilhabe, so sollen diese vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt werden. Die Hilfe soll nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, der die Person angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.
Lesen Sie: § 35a Abs. 1a SGB VIII
Auf Grundlage der Stellungnahme beurteilt das Jugendamt das Vorliegen der Teilhabebeeinträchtigung und darauf aufbauend das Vorliegen einer seelischen Behinderung insgesamt.
§ 35a Abs.1 SGB VIII beschränkt den Leistungsanspruch auf junge Menschen, deren „seelische“ Gesundheit beeinträchtigt ist, die also seelisch behindert sind. Damit greift das SGB VIII eine Teilgruppe von Menschen mit Behinderungen aus dem Leistungssystem des SGB IX heraus. Kinder und Jugendliche, die „seelisch“ behindert sind, erhalten Leistungen aus dem System des SGB VIII während Kinder und Jugendliche, die geistig oder körperlich behindert sind, Leistungen aus dem System des SGB IX erhalten. Für junge Volljährige gilt dieses entsprechend, wenn gleizeitig die Voraussetzungen des § 41 Absatz 1 SGB VIII vorliegen.
Eingliederungshilfe nach SGB VIII und SGB IX
SGB VIII | SGB IX |
---|---|
Menschen mit seelischer Behinderung | |
Menschen mit geistiger Behinderung | |
Menschen mit körperlicher Behinderung |
Eine drohende Behinderung liegt vor, wenn die Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Teilhabe nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Das Drohen bezieht sich also auf die Teilhabebeeinträchtigung. Eine seelische Beeinträchtigung muss bereits vorliegen. Erforderlich ist eine Prognose zu der zu erwartenden Beeinträchtigung.
Lesen Sie: § 35a Abs. 1 SGB VIII
Hinweis: Anders als in der Eingliederungshilfe nach SGB IX erfordert die Eingliederungshilfe im Kinder- und Jugendhilferecht keine wesentliche Behinderung.
Leistungen der Eingliederungshilfe werden nur gewährt, wenn ein entsprechender Bedarf vorliegt. Die Leistung muss geeignet und notwendig sein, diesen Bedarf zu decken.
Diese Voraussetzung ist im Wortlaut des § 35a SGB VIII nicht ausdrücklich enthalten, sie ergibt sich jedoch aus dem Sinn und Zweck der Leistungen der Eingliederungshilfe – sie sollen die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft gewährleisten. Dies erfordert, dass ein entsprechender Bedarf an Leistungen besteht und die Leistungen geeignet und erforderlich sind, den Bedarf zu decken.
Um die geeigneten und notwendigen Hilfen zu ermitteln, führt die Behörde ein sogenanntes „Hilfeplanverfahren“ durch, in dem ermittelt wird, ob und welche Hilfen in Betracht kommen und wie diese ausgeführt werden. Durch Aufstellung eines Hilfeplanes werden die Hilfen ausgestaltet. Die Durchführung des Verfahrens geschieht unter Beteiligung von Fachkräften, des Menschen mit Behinderung sowie den Personensorgeberechtigten. Das Verfahren schließt mit dem Erlass eines Bescheides ab.
Lesen Sie: § 36 SGB VIII
Das SGB IX sieht Leistungen für Menschen mit Behinderungen unabhängig von der Art ihrer Behinderung vor.
Lesen Sie: § 99 Abs.1 SGB IX und § 2 Abs.1 S.1 SGB IX.
Nach dem Wortlaut des § 99 Abs.1 S.1 SGB IX könnten damit auch Kinder, Jugendliche und junge Volljährige mit einer seelischen Behinderung Leistungen nach § 99 SGB IX erhalten. Der Anspruch auf Eingliederungshilfe zugunsten von Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen, die seelisch behindert sind, ist also scheinbar doppelt geregelt. Einmal im SGB VIII und einmal im SGB IX.
§ 10 Abs.4 SGB VIII regelt deshalb einen Vorrang der Jugendhilfe bei seelischer Behinderung, dagegen einen Vorrang der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX bei geistiger und seelischer Behinderung.
Lesen Sie: § 10 Abs.4 SGB VIII
Praktisch relevant ist dies aus der Perspektive des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe deshalb, weil dann, wenn der junge Mensch mit einer Behinderung geistig oder köperlich behindert ist, das Jugendamt nicht zuständig ist und deshalb die Leistung nicht finanzieren muss. Vielmehr ist in diesem Fall nach Landesrecht zuständige Träger der Eingliederungsilfe zuständig. Für die Frage der Zuständigkeit kommt es daher maßgebend darauf an, ob der jeweilige junge Mensch seelisch oder eben geistig oder körperlich behindert ist.
Ist diese Frage nicht eindeutig zu entscheiden, kommt es in der Praxis häufig zu Zuständigkeitsstreits, die zu Lasten der Hilfesuchen gehen, weil sie oftmals keine Leistungen erhalten, solange der Streit nicht entschieden ist.
Dieses Problem soll mit der Regelung zur Zuständigkeitsklärung bewältigt werden.
Lesen Sie: § 14 SGB IX
Wollen Eltern und andere Personensorgeberechtigte in einem solchen Fall Kindeswohlinteressen angemessen wahrnehmen, ist es oft geboten, mit den dafür vorgesehenen Mitteln den Anspruch durchzusetzen und zwar auch unter Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes. Dieses Gebot trifft auch Vormundinnen und Vermünder, insbesondere auch Amtsvormundinnen und Amtsvormünder.
Die gebotenen rechtlichen Schritte sind:
Unabhängig davon geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Verweigerung von Leistungen zu Lasten des Hilfesuchenden rechtswidrig ist, wenn ein Anspruch gegen beide Leistungsträger besteht.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.09.1999, Aktenzeichen 5 C 26/98 Urteil. (Hervorhebungen nicht im Original; Bezahlschranke, kostenloses Dokument steht leider nicht zur Verfügung):
„Da der Kläger einen Anspruch auf Hilfe nach § 41 SGB VIII hat, führte ein daneben bestehender Anspruch auf Eingliederungshilfe wegen wesentlicher geistiger Behinderung – das Berufungsgericht hat offengelassen, ob ein solcher Anspruch besteht – nach § 10 Abs.2 S.2 SGB VIII zum Vorrang der Sozialhilfe. Dieser Vorrang bewirkt aber auf der Ebene der Verpflichtungen zum Hilfebegehrenden nicht eine Freistellung des nachrangig verpflichteten Trägers, hier des Beklagten als Jugendhilfeträger, und eine alleinige Zuständigkeit des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers, hier des Sozialhilfeträgers. (Nach § 10 Abs.2 S.2 SGB VIII vorgehende) Maßnahmen der Eingliederungshilfe (maßgeblich sind nicht die tatsächlichen Hilfemaßnahmen eines privaten Trägers, hier des Kinder- und Jugendheims W., sondern die vom öffentlichen Sozialleistungsträger verantworteten Maßnahmen) sind noch nicht erbracht worden. Deshalb besteht der Anspruch des Klägers nach § 41 SGB VIII auch für den Fall, daß dem Kläger noch zusätzlich ein Hilfeanspruch wegen geistiger Behinderung nach § 39 BSHG zustehen sollte. Ein möglicher Nachrang hat demnach keine Auswirkung auf das Leistungsverhältnis zwischen dem Kläger als Hilfebegehrendem und dem Beklagten als Sozialleistungsträger, sondern erst für die Frage der Kostenerstattung zwischen dem Jugendhilfeträger und dem Sozialhilfeträger.“
Der „zweigliedrige Behinderungsbegriff“ verlangt die Beantwortung zweier Fragen:
Die Beurteilung abweichender Gesundheitszustände und die Diagnostik von Krankheiten, hat der Gesetzgeber in die Hand von Ärzten und Therapeuten gelegt. Dieses allgemeine Prinzip regelt das SGB VIII nochmals explizit, indem es dem Jugendamt vorgibt, dass hinischtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit die Stellungnahme eines Arztes, einer Ärztin oder eines Therapeuten eingeholt werden muss.
Lesen Sie: § 35a Abs.1a SGB VIII
Die Stellungnahme ist auf Grundlage der „Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10-GM)“ zu verfassen.
Das weitere Tatbestandsmerkmal (Teilhabebeeinträchtigung) hat das Jugendamt zu überprüfen. Enthält das ärztliche Votum auch Ausführungen zur Teilhabebeeinträchtigung soll dies vom Jugendamt im Rahmen der Entscheidung angemessen berücksichtigt werden.
Lesen Sie: § 35a Abs.1a S.4 SGB VIII
Art und Umfang der Hilfe werden in § 35 Abs. 2 – 4 SGB VIII bestimmt.
Lesen Sie: § 35a Abs.2-4 Satz 4 SGB VIII
Kompliziert ist vor allem Absatz 3 der Vorschrift, der auf das SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen verweist. Die Systematik und der Aufbau der Leistungsvorschriften des SGB IX wird an anderer Stelle erklärt. Hier deshalb nur die wichtigsten Bestummungen:
§ 35a Abs. 3 SGB VIII verweist zunächst auf
Teil dieses Kapitels ist auch § 29 SGB IX – die Vorschrift über das sogenannte „persönliche Budget“. Leistungsberechtigte junge Menschen im Sinne von § 35a SGB VIII können deshalb anstelle von Dienst- oder Sachleistungen auch Geldleistungen gewährt werden, mit denen diese ihren Hilfebedarf selbst „einkaufen“ können. Als Experten in eigener Sache können sie so selbständig und selbstbestimmt über Art und Umfang der von ihnen benötigten Hilfe entscheiden.
Vgl. zum Beispiel zum persönlichen Budget bei Schulassistenz:
OVG Bremen, Beschluss vom 25.05.2020, Aktenzeichen: 2 B 66/20
§ 35a Abs. 3 SGB VIII verweist darüber hinaus auf wesentliche Reglungen aus Teil 2 des SGB IX, das sogenannte Eingliederungshilferecht.
Danach können gewährt werden: