Florian Gerlach

Seminare zum „Recht der Sozialen Arbeit“

Evangelische Hochschule Bochum

Kitaplatz und Kindertagespflege

Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz

Einführung

In diesem Abschnitt werden die wesentlichen rechtlichen Grundlagen des Anspruches auf einen Kitaplatz erklärt und die Rechte von Eltern bzw. ihren Kindern aufgezeigt.

Der Rechtsanspruch nach Altersgruppen

Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ist im Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) – Kinder- und Jugendhilfe – geregelt. Ob und in welchem Umfang der Anspruch besteht, ist abhängig vom Alter des Kindes.

Lies: § 24 SGB VIII

Aus der Vorschrift ergibt sich Folgendes:

Kinder unter einem Jahr

Lies: § 24 Abs. 1 SGB VIII (Kinder, die das erste Lebensjahr noch nicht vollendet haben = U1)

Voraussetzungen:

  • eine Förderung in Tageseinrichtungen muss für die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten sein,
  • die Erziehungsberechtigten müssen:- einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sein- sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder– Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.

Die drei letztgenannten Voraussetzungen müssen nur alternativ vorliegen. Es reicht also, wenn eine der Voraussetzungen erfüllt ist.

Rechtsfolge:

Liegen die Voraussetzungen vor, ist das Kind in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern.

Hinweis:

Trotz des scheinbar klaren Wortlautes des Gesetzes („ist … zu fördern“), gehen die Gerichte davon aus, dass ein einklagbarer Rechtsanspruch für Kinder unter einem Jahr nicht besteht. Außerdem ist davon auszugehen, dass im Hinblick auf die erste Voraussetzung („erforderlich für die Entwicklung des Kindes…“) besonderer Bedarf (z.B. ein besonderer Förderbedarf des Kindes) vorliegen muss.

Wer auf einen solchen Platz angewiesen ist, sollte dennoch versuchen, ihn durchzusetzen.

Kinder zwischen einem und drei Jahren

Lies: § 24 Abs. 2 SGB VIII (Kinder, die das erste Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres = U3)

Voraussetzungen:

  • Einzige Voraussetzung ist, dass das Kind das erste Lebensjahr vollendet und das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Der Anspruch auf U3-Förderung reicht also vom 1. Geburtstag bis zum 3. Geburtstag. Ab dem 3. Geburtstag greift dann der Anspruch auf Ü3-Förderung (siehe dazu der nächste Gliederungspunkt). Weitere Bedingungen für den Anspruch nennt das Gesetz nicht.

Rechtsfolge:

Liegt die Voraussetzung vor (Kind gehört zur Altersgruppe), besteht ein Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege.

Kinder über drei Jahren

Lies: § 24 Abs. 3 SGB VIII (Kinder, die das dritte Lebensjahr vollendet haben bis zum Schuleintritt = Ü3)

Voraussetzungen:

  • Einzige Voraussetzung ist, dass das Kind das dritte Lebensjahr vollendet hat und das Kind noch nicht eingeschult ist.

Der Anspruch auf Ü3-Förderung reicht also vom 3. Geburtstag bis zum Schuleintritt. Danach greifen andere Betreuungsformen, die in diesem Abschnitt nicht erklärt werden. Weitere Bedingungen für den Anspruch nennt das Gesetz nicht.

Rechtsfolge:

Liegt die Voraussetzung vor (Kind gehört zur Altersgruppe), besteht ein Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung. Der Anspruch entsteht mit dem Erreichen der Altersgrenze.

Der Anspruch auf einen Platz entsteht mit dem Erreichen der jeweiligen Altersgrenze und nicht erst zum Beginn des nächsten Kindergartenjahres nach den Sommerferien. Wird das Kinder also z.B. im Dezember eines Jahres ein Jahr alt, besteht ab dem Datum des Geburtstages im Dezember auch ein Anspruch auf einen Platz.

Kindertagesstätte oder Tagesmutter/Tagesvater

Das Gesetz nennt zwei Regelungsalternativen, die vom Jugendamt angeboten werden können, nämlich die

  • Förderung in einer Tageseinrichtung oder
  • in einer Kindertagespflege.

Tageseinrichtungen sind Betreuungseinrichtungen für Kinder, in denen Kinder von Fachpersonal auf Grundlage eines Konzeptes für einen Teil des Tages betreut und gefördert werden. In den allgemeinen Sprachgebrauch übersetzt sind Tageseinrichtungen für Kinder Kindergärten, Kitas, Kinderkrippen, etc. Entscheidend ist die Arbeit mit Fachpersonal (i.d.R. bedeutet dies: Erzieherausbildung) auf Basis eines Konzepts.

Kindertagespflege meint etwas anderes. Es geht hier um die Betreuung von Kindern durch Einzelpersonen, die nicht in eine Betreuungseinrichtung eingebunden sind. Zum Teil verfügen diese Personen über eine Ausbildung als Erzieherin bzw. Erzieher oder als Sozialpädagogin oder Sozialpädagoge. Rechtlich ist eine solche Ausbildung jedoch nicht vorgeschrieben. In den allgemeinen Sprachgebrauch übersetzt bedeutet Kindertagespflege die Betreuung durch Tagesmütter oder Tagesväter.

In der Rechtsprechung war teilweise umstritten, ob Eltern ein Wahlrecht zwischen der Betreuung in einer Kindertagesstätte oder einer Kindertagespflege haben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat diese streitige Rechtsfrage jetzt geklärt. Es besteht nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes „kein echter Alternativanspruch“: Sofern Plätze in einer Tageseinrichtung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen, kann das Jugendamt Eltern auf einen Betreuungsplatz bei einer Tagespflegeperson verweisen. Das Gleiche gilt auch umgekehrt (Tagespflegeperson gewünscht, verwiesen wird auf Tageseinrichtung).

Vgl. BVerwG, 5 C 19/16, Rn.37.

Wichtig: Das Bundesverwaltungsgericht formuliert ausdrücklich, dass das Wahlrecht der Eltern nur dann beschränkt ist, wenn Plätze in einer Tageseinrichtung nicht zur Verfügung stehen. Wenn also ein Platz in einer Tageseinrichtung zur Verfügung steht und den Eltern trotzdem ein Platz bei einer Tagespflegeperson zugewiesen wird, müssen die Eltern dieses nicht akzeptieren. Sie können dann von ihrem Wunsch- und Wahlrecht gemäß § 5 SGB VIII Gebrauch machen und den Platz in der Kindertagesstätte verlangen.

Wahlrecht zwischen öffentlich-rechtlicher und freier Trägerschaft

Einige Kindertagesstätten werden von den Städten und Gemeinden als kommunale Kindertagesstätten betrieben (öffentlich-rechtliche Trägerschaft). Sie werden vor allem aber auch von Kirchen, gemeinnützigen Trägern sowie privatgewerblichen Trägern betrieben (freie Trägerschaft).

Ein Wahlrecht zwischen einer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft oder einer freien Trägerschaft besteht nicht. Wer also z.B. einen Platz bei einer kirchlichen Kita zugewiesen bekommen möchte, muss sich trotzdem einen Platz bei einer Kita der Gemeinde zumuten lassen. Diese Beschränkung des Wahlrechts besteht allerdings nur dann, wenn die Kapazitäten erschöpft sind. Stehen ausreichend Plätze sowohl in öffentlich-rechtlicher als auch in freier Trägerschaft zur Verfügung, können die Eltern wählen.

Vgl. BVerwG, 5 C 19/16, Rn. 37.

Frühkindliche Förderung ist mehr als bloße Beaufsichtigung

Der Anspruch richtet sich auf frühkindliche Förderung. Dies ist mehr als bloße Beaufsichtigung und Betreuung. Der Förderungsauftrag umfasst Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Der Förderungsauftrag schließt die Vermittlung orientierender Werte und Regeln ein und soll sich am Alter und Entwicklungsstand, den sprachlichen und sonstigen Fähigkeiten, der Lebenssituation sowie den Interessen und Bedürfnissen des einzelnen Kindes orientieren und seine ethnische Herkunft berücksichtigen.

Lies: § 22 Abs. 3 SGB VIII

Dies ist deshalb wichtig, weil die Eltern dieses als Argumentation benutzen können, wenn ihnen eine Tagespflegeperson angeboten wird, bei der sie Zweifel haben, ob diese Person diesen umfassenden Förderungsauftrag, der eben auch Bildung, Erziehung und Entwicklung mit einbezieht, überhaupt erfüllen kann. Wenn die Eltern diese Person ablehnen wollen, weil es begründete Zweifel an deren Eignung gibt, können sie dieses unter Hinweis auf § 22 Abs. 3 SGB VIII in einem Widerspruchsschreiben und auch in Schreiben an das Gericht erklären. Wenn die vom Jugendamt angebotene Person nicht in der Lage ist, den umfassenden Förderungsauftrag zu erfüllen, ist sie nicht geeignet, den Anspruch nach § 24 Abs. 2 SGB VIII sicherzustellen.

Entfernung des Betreuungsplatzes vom Wohnort

Die Gerichte beurteilen die zumutbare Entfernung des Betreuungsplatzes nicht einheitlich. Die meisten Gerichte gehen davon aus, dass es auf eine Beurteilung aller Umstände des Einzelfalles ankommt. So spiele insbesondere auch die Entfernung zum Arbeitsort eine Rolle. Es sei also die Gesamtzeit zu bewerten, die die Eltern aufzubringen hätten. Auch sei zu berücksichtigen, ob es um eine städtische oder um eine ländliche Region gehe. Wegzeiten von mehr als 30 Minuten werden in der Regel für nicht mehr angemessen gehalten.

Angemessen Rechnung getragen wird dem Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege regelmäßig nur dann, wenn diese – entsprechend dem das Jugendhilferecht beherrschenden Prinzip der Wohnortnähe (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII) – vom Wohnsitz des Kindes aus in vertretbarer Zeit erreicht werden können.

In der Regel ist von der am nächsten gelegenen Einrichtung am Wohnort des Kindes auszugehen. Allerdings ist es den Kindern und damit auch ihren Eltern regelmäßig zumutbar, für den Weg zur Kindertageseinrichtung öffentliche Verkehrsmittel bzw. (wenn bereits vorhandenen) ihren privaten PKW zu benutzen. Eine Obliegenheit oder gar rechtliche Verpflichtung, sich im Wege des Car-Sharing einen PKW erst zu beschaffen bzw. einen Mietwagen zu benutzen, um auch weiter entfernt liegende Einrichtungen noch zeitgerecht erreichen zu können, besteht indes nicht.

Das Bundesverwaltungsgericht hat folgenden Maßstab gesetzt:

„In Anlehnung an § 24 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII ist ein Betreuungsplatz nachzuweisen, der hinsichtlich seiner örtlichen Lage dem individuellen Bedarf entspricht. Dies ist der Fall, wenn er von den Eltern und dem Kind in zumutbarer Weise zu erreichen ist. Auch dies richtet sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalles (…). Insoweit sind die konkreten Belange sowohl des anspruchsberechtigten Kindes als auch seiner Erziehungsberechtigten maßgebend. Mit Blick darauf nimmt der Verwaltungsgerichtshof zutreffend an, dass in die Betrachtung des Einzelfalles unter anderem die Entfernung zur Arbeitsstätte bzw. zur Wohnung und der mit dem Bringen und Abholen des Kindes einhergehende zeitliche Aufwand für die Eltern oder den primär betreuenden Elternteil einzubeziehen sind.“ \

Vgl. BVerwG, 5 C 19/16, Rn. 43.

Zeitlicher Umfang der Betreuung

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der zeitliche Umfang sich nach dem jeweiligen individuellen Bedarf der Eltern richtet. Dieser wird durch die Eltern definiert. Die Eltern können also zunächst frei entscheiden, ob sie eine Halbtags- oder eine Ganztagsbetreuung in Anspruch nehmen wollen. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob sie erwerbstätig sind oder nicht.

Im Hinblick auf den zeitlichen Umfang der Förderung geht die Rechtsprechung davon aus, dass für einen Ganztagsplatz mindestens 8 – 9, im Einzelfall aber auch bis zu 10 Stunden zur Verfügung gestellt werden müssen. Dabei sind die individuellen Bedarfe der Eltern zu berücksichtigen. Zu diesen individuellen Bedarfen gehört insbesondere die Dauer und die zeitliche Lage der Arbeit. Wer eine längere Wegstrecke zur Arbeit hat und dadurch länger braucht, um das Kind unterzubringen, hat einen Anspruch auf eine längere Betreuungszeit. Auch ist es zu berücksichtigen, wenn die Arbeitszeiten der Eltern über die zeitlichen Grenzen eines Normalarbeitsplatzes hinausgehen. Dann sind z.B. auch Betreuungszeiten bis in die Abendstunden hinein oder auch früh morgens (z.B. ab 07:00 Uhr) zu gewährleisten.

Eine Grenze findet der Umfang der Betreuungszeit allerdings im Kindeswohl. Betreuungszeiten bis spät in den Abend hinein (z.B. 23:00 Uhr) werden aus Gründen des Kindeswohls abgelehnt.

Richtungsweisend ist auch hier die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes:

„Der zeitliche Umfang der Förderung richtet sich gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII in entsprechender Anwendung des § 24 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII nach dem individuellen Bedarf. Der Verwaltungsgerichtshof geht mit Recht davon aus, dass der individuelle Bedarf durch die Verhältnisse des anspruchsberechtigten Kindes und seiner Erziehungsberechtigten gekennzeichnet ist. Dass insoweit nicht allein auf den Bedarf des Kindes abzustellen ist, sondern im Regelfall auch die Verhältnisse seiner Eltern zu berücksichtigen sind, folgt insbesondere aus dem systematischen Zusammenhang zu § 22 Abs. 2 Nr. 3, § 22a Abs. 3 Satz 1 und 2, § 23 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SGB VIII wie auch aus Sinn und Zweck und der Entstehungsgeschichte des § 24 SGB VIII, der unter anderem auf eine Stärkung der Verlässlichkeit der nicht durch Erziehungsberechtigte erfolgenden Kinderbetreuung (Rixen, in: jurisPK-SGB VIII, Stand: 1. Juni 2014, § 24 Rn. 7) und der Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben zielt (vgl. BT-Drs. 16/9229 S. 1, 2, 10, 12 f. und 15; vgl. auch BGH, Urteil vom 20. Oktober 2016 – III ZR 278/15 – NJW 2017, 397 Rn. 26). Gemessen daran begegnet die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, maßgeblich sei stets der durch die Erziehungsberechtigten definierte individuelle Bedarf, begrenzt durch das Wohl des zu betreuenden Kindes, keinen Bedenken.“ \

Vgl. BVerwG, 5 C 19/16, Rn. 42.

Wahl einer bestimmten Einrichtung – Wunsch und Wahlrecht

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Anspruch des Kindes auf Bereitstellung eines Platzes in einer grundsätzlich geeigneten Tageseinrichtung bzw. bei einer Tagespflegeperson gerichtet ist. Es besteht deshalb grundsätzlich (d.h. es gibt Ausnahmen) kein Anspruch auf Bereitstellung eines konkreten Platzes in einer bestimmten von den Eltern gewünschten Einrichtung.

Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn in der konkret von den Eltern gewünschten Einrichtung ein Platz vorhanden ist, der den Bedarf des Kindes deckt. Dann greift das Wunsch- und Wahlrecht nach § 5 SGB VIII.

Auch das Bundesverwaltungsgericht hat diese Position bestätigt. \

Vgl. BVerwG, 5 C 19/16.

Trotzdem kann es schwierig sein, das Wunsch- und Wahlrecht durchzusetzen. Denn oftmals wird es so sein, dass eben gerade kein freier Platz in der gewünschten Einrichtung vorhanden ist. Außerdem wird in der Rechtsprechung zum Teil davon ausgegangen, dass dann, wenn die Eltern bereits einen anderen (eigentlich nicht gewünschten) Platz in Anspruch genommen haben, kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage besteht. Die Eltern müssten also den eigentlich nicht gewünschten Platz erst aufgeben, um dann im Eilverfahren klagen zu können.

Aufwendungsersatz für selbst beschafften Betreuungsplatz

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass ein Anspruch des Kindes auf Ersatz von Aufwendungen für einen selbstbeschafften Betreuungsplatz besteht. Dieser Aufwendungsersatzanspruch kann auf § 36a Abs.3 SGB VIII gestützt werden.

Voraussetzungen

  • Das Jugendamt bietet keinen bedarfsgerechten Betreuungsplatz an.
  • Der Leistungsberechtigte (also das Kind, vertreten durch den/die Personensorgeberechtigten) muss den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis setzen. Die Eltern müssen also dem Jugendamt mitteilen, dass sie sich einen Kitaplatz bzw. eine Tagespflegeperson selbst suchen werden.
  • Die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfe müssen vorgelegen haben; dies ist immer der Fall, wenn das Kind die Altersgrenze überschritten hat.
  • Ein Abwarten auf die Entscheidung des Jugendamtes oder des Gerichtes muss keinen Aufschub dulden; dies ist in der Regel der Fall, wenn das Jugendamt den Antrag abgelehnt hat und die Eltern ein Rechtsmittel (zum Beispiel eine Klage) abwarten müssten oder auch dann, wenn die Eltern die Zuweisung eines Platzes rechtzeitig beantragt haben, dass Jugendamt aber noch nicht entschieden hat.

Rechtsfolge

Liegen diese Voraussetzungen vor, ist in der Regel Aufwendungsersatz in Höhe der angemessenen Aufwendungen zu leisten. Wichtig ist hier die Einschränkung: „angemessen“. Die Eltern dürfen sich also keinen Platz in einer Luxuseinrichtung suchen, um ihn dann refinanzieren zu lassen.

Die vollen Kosten bekommen die Eltern allerdings nur dann bezahlt, wenn sie nicht im Rahmen des Kostenbeitrags heranzuziehen sind. Dies bedeutet: nach § 90 Abs.1 S.1 Nr.3 SGB VIII werden bei der Inanspruchnahme von Tageseinrichtungen oder Kindertagespflege von den Eltern Kostenbeiträge erhoben. Die Höhe ist je nach Landkreis bzw. Kommune unterschiedlich hoch und in der Regel nach dem Einkommen sowie weiteren Kriterien gestaffelt.

Das Grundprinzip lautet: höheres Einkommen gleich höherer Beitrag. Wer also aufgrund seines hohen Einkommens ohnehin zu einem hohen Kostenbeitrag herangezogen würde, hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung, wenn die Kosten der Selbstbeschaffung die Kostenheranziehung nicht überschreiten.

Hierzu das Bundesverwaltungsgericht:

Der Umfang der zu übernehmenden erforderlichen Aufwendungen entspricht dem Betrag, der bei rechtzeitigem Nachweis eines ausreichenden Förderangebots von dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach den zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen zu tragen gewesen wäre (…). Ist der Primäranspruch – wie hier – nicht auf den Nachweis eines beitragsfreien Betreuungsplatzes gerichtet, hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nur diejenigen Aufwendungen zu übernehmen, die das nach § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII anspruchsberechtigte Kind im Fall des rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Nachweises eines Betreuungsplatzes nicht hätte tragen müssen (…). Mithin ist in den Fällen, in denen kein Recht auf kostenfreie Inanspruchnahme eines Betreuungsplatzes besteht, der Anspruch auf Übernahme von Aufwendungen für einen selbstbeschafften Platz auf den Mehraufwand beschränkt, der gerade durch die Selbstbeschaffung entstanden ist. Nicht beansprucht werden können die Aufwendungen, die ohnehin zu tragen gewesen wären.“ \

Vgl. BVerwG, 5 C 19/16 Rn. 75.

Wollen die Eltern die Kosten für einen selbstbeschafften Kitaplatz geltend machen, so muss im Einzelfall geprüft werden, welche Kosten auf die Eltern zukommen würden bzw. zugekommen wären, wenn sie einen Platz in einer kommunalen Kindertagesstätte oder einer geförderten Einrichtung eines Trägers der freien Jugendhilfe zugewiesen bekommen hätten. Dabei hilft die jeweils geltende kommunale Beitragssatzung. Die Berechnung ist oft kompliziert. Manche Kommunen haben auf ihren Internetseiten eigene Rechner zur Berechnung des Kitabeitrages etabliert.

Verdienstausfall

Zunächst war in der Rechtsprechung ungeklärt, ob die Eltern einen Schadensersatzanspruch wegen Verdienstausfalls geltend machen können. Ungeklärt war dieses deshalb, weil der Anspruch auf Kindertagesbetreuung nach § 24 SGB VIII dem Kind und nicht den Eltern zusteht. Es war deshalb argumentiert worden, die Vorschrift schütze eben nur das Kind und nicht die Eltern. Diese Auffassung ist durch ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes nicht mehr vertretbar.

Der Bundesgerichtshof anerkennt inzwischen einen Schadensersatzanspruch der Eltern auf Verdienstausfall, für den Fall, dass ein bedarfsgerechter Platz nicht zur Verfügung steht.

Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt:

„1. Der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe verletzt seine Amtspflicht, wenn er einem gemäß § 24 Abs. 2 SGB VIII (in der ab dem 1. August 2013 geltenden Fassung) anspruchsberechtigten Kind trotz rechtzeitiger Anmeldung des Bedarfs keinen Betreuungsplatz zur Verfügung stellt. Für das Verschulden des Amtsträgers kommt dem Geschädigten ein Beweis des ersten Anscheins zugute.

2. Die mit dem Anspruch aus § 24 Abs. 2 SGB VIII korrespondierende Amtspflicht bezweckt auch den Schutz der Interessen der personensorgeberechtigten Eltern.

3. In den Schutzbereich der verletzten Amtspflicht fällt auch der Verdienstausfallschaden, den Eltern dadurch erleiden, dass ihr Kind entgegen § 24 Abs. 2 SGB VIII keinen Betreuungsplatz erhält.“ \

Vgl. BGH III ZR 303/15.

Steht dagegen ein bedarfsgerechter Platz zur Verfügung, und wird dieser nicht angenommen oder gekündigt, kann Verdienstausfall nicht geltend gemacht werden.

Ob und in welchem Maße die Eltern eigene Anstrengungen im Rahmen der Selbstbeschaffung vornehmen müssen, ist bislang nicht abschließend geklärt. Der Bundesgerichtshof hat hierzu entschieden, dass ein Aufwendungsersatzanspruch besteht, obwohl die Eltern die Möglichkeit haben, sich einen Kitaplatz selbst zu verschaffen und die Kosten dafür erstattet zu bekommen (s.o.). Der Bundesgerichtshof begründet dies allerdings damit, dass der Anspruch auf Verdienstausfall dann nicht entfalle, wenn Anstrengungen zur Selbstbeschaffung einer bedarfsgerechten Betreuung erfolglos geblieben seien.

Unklar bleibt in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes, ob die Eltern solche Anstrengungen zur Selbstbeschaffung überhaupt unternehmen und wie weit diese Anstrengungen überhaupt reichen müssen, um Verdienstausfall geltend zu machen.