Florian Gerlach

Seminare zum „Recht der Sozialen Arbeit“

Evangelische Hochschule Bochum

Wunsch- und Wahlrecht

Mitentscheidungsrechte

Das Wunsch- und Wahlrecht eröffnet den Betroffenen das Recht, Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern und den Leistungserbringer selbst auszuwählen, sofern keine unverhältnismäßigen Mehrkosten vorliegen.

Lies: § 5 SGB VIII

Wer über die Gestaltung der Hilfe und den jeweiligen Leistungserbringer mitentscheiden darf, wird der Hilfe als solcher ein größeres Vertrauen entgegenbringen. Dieses Vertrauen ist eine unerlässliche Voraussetzung für den Erfolg einer Hilfemaßnahme, weil diese sich an den Willen der Jugendhilfeadressaten richtet. Die Subjektstellung der Berechtigten wird also gestärkt und insofern die Akzeptanz der Inanspruchnahme der Hilfe gefördert.

Beschränkungen des Wahlrechts

Das Wahlrecht ist in doppelter Hinsicht beschränkt:

  • Zum einen dürfen keine unverhältnismäßgen Mehrkosten entstehen.
  • Wenn es um stationäre oder teilstationäre Maßnahmen geht, ist das Wahlrecht darüber hinaus grundsätzlich auf Einrichtungen beschränkt, mit denen einen Jugendamt eine Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarung abgeschlossen hat.

Unverhältnismäßige Mehrkosten

Der Wahl und den Wünschen des Leistungsberechtigten ist nicht zu folgen, wenn dadruch unverhältnismäßige Mehrkosten entstehen.

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass es keine starre Grenze für die Feststellung der Unverhältnismäßigkeit gibt. Das Bundesverwaltungsgericht verlangt eine wertende Betrachtung.

Vgl.: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. August 2003, Aktenzeichen 5 B 14/03

Zum Teil wird mit einer 20%-Grenze argumentiert.

Das Verwaltungsgreicht LeipzigUrteil vom 22.11.2007, Aktenzeichen 5 K 1733/05 –, Rn. 43 hält diesen Maßstab für „akzeptabel“ (Bezahlschranke, freier Link leider nicht verfügbar).

Ein Wahlrecht kann es nur geben, wenn zwei oder mehr Angebote geeignet sind, den Bedarf des oder der Leistungsberechtigten zu decken. Leistungsangebote, die nicht bedarfsdeckend sind, scheiden aus dem Kreis der zu wählenden Einrichtungen aus. Verursacht ein Angebot zwar deutlich geringere Kosten, ist es aber nicht geeignet den Bedarf des oder der Leistungsberechtigten zu decken, ist es beim Wunsch- und Wahlrecht nicht zu berücksichtigten. Die Frage, ob ein Angebot bedarfsdeckend ist oder nicht, ist eine fachlich inhaltliche Frage und keine Frage von Mehrkosten.

Vertragsgebundene Einrichtungen

Bei stationären und teilstationären Angeboten soll die Leistungserbringung grundsätzlich in Einrichtungen erfolgen, mit denen einen Jugendamt eine Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarung abgeschlossen hat (vertragsgebnudene Einrichtungen). Das Gesetz beschränkt das Wunsch- und Wahlrecht daher auf solche Einrichtungen.

Lies: § 5 Abs.2 S.2 SGB VIII

Eine Ausnahme gilt dann, wenn im Hilfeplanverfahren die Leistungserbringung gerade in der bestimmten Einrichtung erfolgen soll, mit der keine entsprechende Vereinbarung besteht. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn eine Einrichtung lediglich eine Vereinbarung für ein Regelangebot, nicht aber für ein Intensivangebot hat. Benötigt ein bereits betreutes Kind ein Intensivangebot, kann es fachlich geboten sein, dieses wegen der bestehenden Bindungen in der Einrichtung zu belassen.