Florian Gerlach

Seminare zum „Recht der Sozialen Arbeit“

Evangelische Hochschule Bochum

Fallübungen

Fall 1

1. Sachverhalt

(Daten und Namen sind fiktiv)

Der 23-jährige Jonas Rochlitz lebt in der Einrichtung „Stiftung Haus am Park, Holtgrevenstraße 6, 44532 Lünen“ in der neben Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch junge Menschen mit Behinderungen betreut werden. Jonas arbeitet in der WFB. Seine Mutter, Tanja Schneidermann, ist auch seine Betreuerin. Die Betreuung umfasst unter anderem auch den Bereich: rechtliche Vertretung, Geltendmachung von Sozialleistungen. Sie wohnt in der Friesenstraße 94 in 26789 Leer (Ostfriesland).

Auf Anraten der Einrichtung hat die Mutter beim Sozialamt des Landkreises Leer die Bewilligung einer ambulanten Autismus-Therapie (2-4 Std./Woche). Auf Nachfrage des Sozialamtes hat die Mutter mitgeteilt, dass Jonas die Autismus-Therapie benötige. Den Bedarf habe Jonas schon länger (seit ca. 1 ½ Jahren), ein Antrag sei gestellt, aber

  • vor drei Wochen bzw.
  • vor fünf Wochen (Fallvariante)

abgelehnt worden. Ihrem Sohn gehe es immer schlechter, er neige zu Alkoholexzessen und verhalte sich Dritten gegenüber aggressiv; so habe er aus dem 1. Stock heraus Passanten auf dem Bürgersteig vor seinem Haus mit Geschirr beworfen etc.

Das Sozialamt lehnt den Antrag ab. Zusätzliche Stunden könnten nicht gewährt werden. Nach einer Empfehlung des Niedersächsischen Sozialministeriums solle die Hilfe einheitlich in einer Einrichtung erbracht werden. Eventuell erforderliche Zusatzstunden könnten nicht bewilligt werden und müssten ggf. von der Einrichtung erbracht oder aus deren Tagessatz finanziert werden. Die Einrichtung verweigert das. Zusatzstunden für Autismustherapie seien nicht von der Leistungsvereinbarung gedeckt.

Da sich die Situation in der Einrichtung verschärft und die Einrichtung die anderen Bewohner und auch die Mitarbeitenden gefährdet sieht, kündigt sie Jonas und schickt das Schreiben an die Adresse der Mutter.

2. Aufgaben

  • Sie sind Verfahrenslotsin beim Jugendamt der Stadt Leer. Die Mutter wendet sich ratsuchend an Sie, weil Sie gehört hat, dass Verfahrenslotsen beim Jugendamt auch erwachsene Menschen mit Behinderungen unterstützen.
  • Welche Rolle haben Sie? Müssen Sie die Mutter beraten?
  • Helfen Sie der Mutter.
  • Unterstützen Sie die Mutter dabei, etwa notwendige Schreiben aufzusetzen. Formulieren Sie diese.

Fall 2

1. Sachverhalt

Die Jugendhilfeeinrichtung „Evangelisches Kinderheim N.“ in Bottrop betreut ein 7-jähriges mehrfach behindertes Mädchen (sehbehindert, autistisch, Schreikrämpfe). Die Eltern hatten das Kind nach der Geburt im Krankenhaus zurückgelassen. Daraufhin war es von der Ausländerbehörde in der Einrichtung untergebracht und aus Mitteln des Asylbewerberleistungsgesetzes finanziert worden. Diese Finanzierung war eingestellt worden, weil die Ausländerbehörde der Ansicht war, die Jugendhilfe sei zuständig. Daraufhin hat der Einrichtungsleiter einen Antrag beim zuständigen Jugendamt gestellt. Das Jugendamt hatte die Leistung abgelehnt, weil es der Ansicht war, der Landschaftsverband (LWL) sei zuständig, denn es gehe nicht um Jugend- sondern um Eingliederungshilfe. Sodann hat der Einrichtungsleiter einen Antrag beim LWL gestellt. Dieser hatte sich nach weiteren Monaten ebenfalls für unzuständig erklärt. In der Zwischenzeit sind zwei Jahre vergangen, in denen die Einrichtung kein Geld erhalten hat. Eine Entlassung des Kindes kommt nicht in Betracht, weil davon auszugehen ist, dass die Familie (dort hat der Vater „das alleinige Sagen“) das Kind zwar nehmen würde, es aber nicht angemessen betreuen würde (Einrichtungsleiter: „Die würden das Kind in die Ecke setzen und sich selbst überlassen“). Bei der Einrichtung sind inzwischen Rückstände von ca. 145.000,- € aufgelaufen. Der Vater ist unter keinen Umständen bereit, gegen Behörden zu klagen; er verstehe das alles nicht. Er habe mit deutschen Behörden noch nie gute Erfahrungen gemacht und mistraue Ihnen.

2. Fragen

  • Sie sind verantwortliche Einrichtungsleitung.
  • Welche Sozialleistungen können im Streitfall durchgesetzt werden?
  • Was kann wer im konkret tun?
  • Berücksichtigen Sie sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft.
  • Was ist falsch gelaufen?
  • Formulieren Sie etwa notwendige Schreiben.