Florian Gerlach

Seminare zum „Recht der Sozialen Arbeit“

Evangelische Hochschule Bochum

Fallübungen

Fall 1

1. Sachverhalt

Der 23-jährige Jonas lebt in einer stationären Einrichtung, in der neben Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch junge Menschen mit Behinderungen betreut werden. Jonas arbeitet in der WFB. Seine Mutter ist auch seine Betreuerin.

Auf Anraten der Einrichtung beantragt sie beim Sozialamt eines Landkreises in Norddeutschland die Bewilligung einer ambulanten Autismus-Therapie (2-4 Std./Woche). Auf Nachfrage des Sozialamtes erklärt die Mutter, dass Jonas die Autismus-Therapie benötige. Den Bedarf habe er schon länger (vor ca. 1 ½ Jahren), ein Antrag sei gestellt, aber abgelehnt worden. Seinem Sohn gehe es immer schlechter, er neige zu Alkoholexzessen und verhalte sich Dritten gegenüber aggressiv; so habe er aus dem 1. Stock heraus Passanten auf dem Bürgersteig vor seinem Haus mit Geschirr beworfen etc. Er wohne in Dortmund, weil er dort eine Berufsausbildungsmaßnahme mache. Das Wohnheim sei für ihn optimal.

Das Sozialamt lehnt den Antrag ab. Zusätzliche Stunden könnten nicht gewährt werden. Nach einer Empfehlung des Niedersächsischen Sozialministeriums solle die Hilfe einheitlich in einer Einrichtung erbracht werden. Eventuell erforderliche Zusatzstunden könnten nicht bewilligt werden und müssten ggf. von der Einrichtung erbracht oder aus deren Tagessatz finanziert werden.

Der Ablehnungsbescheid enthält eine (zutreffende) Rechtsbehelfsbelehrung.

2. Aufgabe

  • Sie sind als Mitarbeiter der Einrichtung für die Bearbeitung von Fällen mit Finanzierungsproblemen zuständig. Helfen Sie dem Kunden. Das Interesse der Einrichtung ist es, den Kunden zu halten.

Fall 2

1. Sachverhalt

Die Jugendhilfeeinrichtung „Evangelisches Kinderheim N.“ betreut ein 7-jähriges mehrfach behindertes Mädchen (sehbehindert, autistisch, Schreikrämpfe). Die Eltern hatten das Kind nach der Geburt im Krankenhaus zurückgelassen. Daraufhin war es von der Ausländerbehörde in der Einrichtung untergebracht und aus Mitteln des Asylbewerberleistungsgesetzes finanziert worden. Diese Finanzierung war eingestellt worden, weil die Ausländerbehörde der Ansicht war, die Jugendhilfe sei zuständig. Daraufhin hat der Einrichtungsleiter einen Antrag beim zuständigen Jugendamt gestellt. Das Jugendamt hatte die Leistung abgelehnt, weil es der Ansicht war, der Landschaftsverband (LWL) sei zuständig, denn es gehe nicht um Jugend- sondern um Eingliederungshilfe. Sodann hat der Einrichtungsleiter einen Antrag beim LWL gestellt. Dieser hatte sich nach weiteren Monaten ebenfalls für unzuständig erklärt. In der Zwischenzeit sind zwei Jahre vergangen, in denen die Einrichtung kein Geld erhalten hat. Eine Entlassung des Kindes kommt nicht in Betracht, weil davon auszugehen ist, dass die Familie (dort hat der Vater „das alleinige Sagen“) das Kind zwar nehmen würde, es aber nicht angemessen betreuen würde (Einrichtungsleiter: „Die würden das Kind in die Ecke setzen und sich selbst überlassen“). Bei der Einrichtung sind inzwischen Rückstände von ca. 120.000,- € aufgelaufen. Der Vater ist unter keine Umständen bereit, gegen Behörden zu klagen; er verstehe das alles nicht. Er habe mit deutschen Behörden noch nie gute Erfahrungen gemacht und mistraue Ihnen.

2. Fragen

  • Wie können Ansprüche auf Sozialleistungen im Streitfall durchgesetzt werden?
  • Was kann im konkreten Fall getan werden? Berücksichtigen Sie sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft.
  • Was ist falsch gelaufen?