Webinar und Selbstlerneinheit
Nach Abschluss dieser Einheit kennst du die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Eingriff ins Sorgerecht bei Kindeswohlgefährdung. Du weist über das Sorgerecht bei Pfelgeeltern und Kindern in Einrichtungen Bescheid. Darüber hinaus hast du Rechtskenntnisse in folgenden Bereichen: Meinungsverschiedenheiten der Eltern, Sorgererecht bei minderjährigen Eltern, Sorgerecht bei geschäftsunfähigen Eltern, Sorgerecht bei längerer Krankheit oder Abwesenheit, Sorgerecht bei vertraulicher Geburt.
Studiere die Podcast sowie die Inhalte zu folgenden Themenbereichen:
Was versteht man unter staatlichem Wächteramt?
Unter welchen Voraussetzungen kann das Familiengericht in die elterliche Sorge eingreifen?
Was versteht man unter einer „Kindeswohlgefährdung“?
Was versteht man unter „erforderliche Maßnahmen“ i.S. des § 1666 BGB?
Wer nimmt nach erfolgtem Eingriff ins Elternrecht an deren Stelle das Sorgerecht wahr?
Bitte erläutere die Aufgaben und Rechte von Vormündern, Pflegern, Pflegeeltern/-personen und grenze sie voneinander ab.
Bitte erläutere wichtige Verfahrensvorschriften für das familiengerichtliche Verfahren in Sorgerechtsfällen. Wie wirken Jugendamt und Familiengericht zusammen? Welche Funktion haben Verfahrensbeistände?
Fall 1: Der Fall Leon K. – Kindeswohlgefährdung im familiengerichtlichen Verfahren
Leon K. (8) lebt zusammen mit seiner alleinerziehenden Mutter Sarah K. (27) in einer Zweizimmerwohnung am Stadtrand. Die Grundschullehrerin Frau Weber meldet sich beim Jugendamt, nachdem Leon in den letzten drei Monaten mehr als 25 Schultage unentschuldigt gefehlt hat. Wenn er erscheint, macht er einen müden und ungepflegten Eindruck, trägt häufig dieselbe Kleidung und hat kein Pausenbrot dabei. Im Unterricht zeigt er aggressive Verhaltensweisen gegenüber Mitschülern.
Bei einem unangekündigten Hausbesuch des Jugendamts um 11 Uhr vormittags öffnet die Mutter im Schlafanzug. In der Wohnung herrscht starker Alkoholgeruch, auf dem Boden und den Möbeln stehen zahlreiche leere Weinflaschen. Die Küche ist mit verschimmeltem Geschirr überhäuft, im Kühlschrank befinden sich lediglich einige Fertiggerichte und Bier.
Leons Zimmer enthält zwar Spielzeug, ist jedoch durch Müll und schmutzige Wäsche kaum begehbar. Seine Matratze liegt ohne Bezug auf dem Boden, es sind keine sauberen Kleidungsstücke zu finden. Die Mutter Sarah K. gibt während des Gesprächs an, seit ihrer Trennung vom neuen Lebensgefährten vor sechs Monaten in einer „schwierigen Phase“ zu sein. Sie arbeitet als Reinigungskraft in Teilzeit, kommt jedoch häufig nicht zur Arbeit. Von Leons Vater ist nur der Name Thomas M. bekannt, er hat das Kind nie kennengelernt.
Im Gespräch mit der Sozialarbeiterin berichtet Leon, dass er oft alleine zuhause sei, auch nachts. Wenn die Mutter da ist, schläft sie viel. Manchmal schreit sie ihn an oder sperrt ihn in sein Zimmer ein, wenn er „nervt“. Essen muss er sich selbst machen, meistens gibt es Cornflakes oder Brot. Er vermisst seinen „Ersatzpapa“ (den Ex-Lebensgefährten der Mutter) sehr.
Das Jugendamt bietet der Mutter zunächst eine Sozialpädagogische Familienhilfe und die Vermittlung einer Suchtberatung an. Sie lehnt dies mit der Begründung ab, sie brauche keine Hilfe und würde die Situation schon in den Griff bekommen. Daraufhin informiert das Jugendamt das Familiengericht.
Fallfragen:
Fall 2: Der Fall Lisa und Justin – Minderjährige Eltern und Sorgerechtsregelung
Die 15-jährige Lisa besucht die 9. Klasse einer Realschule. Sie lebt bei ihrer alleinerziehenden Mutter Andrea P. (34), die als Kellnerin arbeitet. Im Juni 2024 erfährt Lisa, dass sie im 4. Monat schwanger ist. Der Vater ist ihr 16-jähriger Freund Justin, mit dem sie seit einem Jahr zusammen ist.
Justin lebt bei seinen Eltern Thomas und Sabine M., die beide als Angestellte in Vollzeit arbeiten. Nachdem der erste Schock über die Schwangerschaft überwunden ist, wollen sowohl Lisa als auch Justin sich um ihr Kind kümmern. Lisas Mutter sichert ihre Unterstützung zu, damit Lisa ihren Schulabschluss machen kann. Auch Justins Eltern bieten ihre Hilfe an, bestehen aber darauf, dass Justin zunächst seine Ausbildung als Mechatroniker beginnt wie geplant.
Im Februar 2025 bringt Lisa ihre Tochter Emma zur Welt. Lisa und Justin möchten die gemeinsame Sorge für Emma übernehmen. Sie wollen auch, dass Emma Justins Nachnamen trägt. Lisa soll zunächst mit Emma bei ihrer Mutter wohnen bleiben. An den Wochenenden möchte Justin bei ihnen sein.
Beide Familien kommen zum Jugendamt, um die rechtliche Situation zu klären.
Fallfragen:
1. Wie ist die rechtliche Situation hinsichtlich der elterlichen Sorge zu beurteilen? Prüfen Sie dabei insbesondere:
2. Unter welchen Voraussetzungen kann die Vaterschaft rechtswirksam anerkannt werden? Prüfen Sie die formellen und materiellen Voraussetzungen unter Berücksichtigung der Minderjährigkeit.
Das Jugendamt erwägt die Bestellung eines Vormunds für Emma. Prüfen Sie:
Ein Jahr später möchte Lisa zu Justin und seinen Eltern ziehen. Prüfen Sie: