Wir erinnern uns an die Berechnungsformel:
Bedarf – Einkommen / Vermögen = Leistung.
Einkommen wir also auf den Bedarf angerechnet. Zur Bestimmungs des Obs und der Höhe der Leistung ist also auch das Einkommen zu ermitteln. Mit dieser Ermittlung des Einkommens beschäftigen wir uns im Folgenden.
Als Einkommen sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen.
Lies: § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II
Einkommen sind daher nicht nur Einkünfte aus Arbeit, sondern auch andere Zuflüsse in Geld oder mit Geldeswert. Zum Einkommen zählen daher zum Beispiel auch Unterhaltsleistungen sowie bestimmte Sozialleistungen (z.B. Rente). Einkünfte in Geldeswert sind zum Beispiel die kostenlose Versorgung mit Essen oder Wohnraum.
Von diesem Grundprinzip – alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert sind Einkommen – macht der Gesetzgeber Ausnahmen in § 11 a SGB II und § 11 b SGB II. In § 11 a SGB II ist geregelt, dass bestimmte Einkünfte – obwohl es sich dabei um Einnahmen in Geld handelt – nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Sie heißen deshalb „nicht zu berücksichtigendes Einkommen“. Nicht zum Einkommen zählen zum Beispiel Schmerzensgeldzahlungen nach § 253 Abs. 2 BGB (vgl. § 11 a Abs. 2 SGB II). Darüber hinaus gibt es bestimmte Beträge, die vom Einkommen abzusetzen sind (vgl. § 11 b SGB II). Diese Beträge heißen Absetzbeträge. Die oben bereits zitierte Formel (Bedarf – Einkommen/Vermögen = Leistung) muss daher erweitert werden wie folgt:
Bedarf | – | Einkommen | = | Leistung |
---|---|---|---|---|
Regelbedarf | Bruttoeinkommen | |||
zzgl. Mehrbedarf | abzgl. Abesetzbeträge | |||
zzgl. Bedarf Unterkunft / Heizung | ||||
zzgl. etc. | ||||
Summe | – | Differenz | Leistungsbetrag |
Wichtig ist, dass auch bestimmte kindbezogene Sozialleistungen, wie der sogenannte Kinderzuschlag und das Kindergeld als Einkommen angerechnet werden. Für das Kindergeld gilt, dass es zwar einkommensteuerrechtlich eigentlich den Eltern zusteht (vgl. § 62 EStG), im SGB II aber zunächst den Kindern auf deren Bedarf angerechnet wird. Soweit die Kinder das Kindergeld nicht für ihren eigenen Bedarf benötigen, wird es auf den Bedarf der Eltern angerechnet (vgl. § 11 Abs. 1 S. 3 SGB II).
Es gibt auch Einnahmen, die nicht als Einkommen gewertet werden:
Hervorzuheben sind vor allem die sogenannten „zweckbestimmte Leistungen“. Zweckbestimmte Leistungen sind solche Leistungen, die von anderen Sozialleistungsträgern zu einem ausdrücklich bestimmten sozialen Zweck (z.B. Pfelgegeld für häusliche Pflege) gewährt werden.
Wichtig sind auch die Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege (z.B. Kleiderspenden oder Leistungen der sog. „Tafeln“) und Schmerzendsgeldzahlungen und -renten. Diese Leistungen und Zahlungen werden ebenfalls nicht angerechnet.
Lies: § 11 Abs. 2 – 6 SGB II
Einkommen ist vor der Anrechnung zu „bereinigen“. Das Bruttoeinkommen ist deshalb um bestimmte gesetzlich abschließend beschriebene Beträge zu reduzieren, bevor es angerechnet wird.
Folgende Beträge können abgesetzt werden:
In § 11 b Abs. 1 S. 1 Nr.1 und 2 SGB II wird klargestellt, dass nur das Nettoeinkommen angerechnet wird.
Dann folgen in den Nummern 3 – 5 Beträge, die zur Erhaltung der Erwerbsfähigkeit erforderlich sind (Versicherungsbeiträge, Altersvorsorgebeiträge, Fahrtkosten, etc.). Manchen wird diese Systematik aus dem Steuerrecht bekannt sein. Man nennt entsprechende Beträge dort Werbungskosten. Wie im Steuerrecht hat der Gesetzgeber im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und Kosteneinsparung jedoch festgelegt, dass im Regelfall keine Einzelabrechnung und kein Einzelnachweis dieser Positionen erfolgen sollen. Vielmehr werden diese Positionen über eine Pauschale in Höhe von 100 € abgegolten: nach § 11 b Abs. 2 SGB II ist an Stelle der Beträge nach Abs. 1 S. 1 Nummern 3 – 5 bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, ein Betrag von insgesamt 100,- € monatlich abzusetzen. Hat der Leistungsberechtigte tatsächlich Kosten, die 100,- € übersteigen, so kann er diese nur geltend machen, wenn er ein Erwerbseinkommen erzielt, dass mehr als 400 € beträgt.
Lies: § 11 b Abs. 2 SGB II
Wird von der Möglichkeit, Einzelnachweise zu erbringen Gebrauch gemacht, gelten innerhalb dieses Systems wiederum Pauschalen. Einzelheiten ergeben sich aus § 6 AlG-II Verordnung.
Lies: § 6 Alg II-V
Eine wichtige Rolle spielen bei § 6 Alg II-V die Pauschalbeträge für Versicherungen. Diese können nämlich von Leistungsberechtigten, die nicht erwerbstätig sind, die also tatsächlich nicht arbeiten, nicht über die sog. 100-Euro-Pauschale nach § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II geltend gemacht werden. Denn die Pauschale kann nur vom Erwerbseinkommen abgesetzt werden. Wenn also eine Person kein Erwerbseinkommen hat, gibt es diese Pauschale nicht. Hier hilft § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AlG II-V, wonach ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich pauschal für angemessene private Versicherungen abgesetzt werden kann. Voraussetzung ist lediglich, dass tatsächlich Beiträge für solche Versicherungen anfallen. Wenn es um Versicherungen von Kindern geht, können diese auch angesetzt werden, wenn die Versicherung nicht selbst abgeschlossen wurden. Auch dann, wenn das Kind im „Paket“ mit den Eltern versichert ist, kann die Pauschale geltend gemacht werden.
Soweit der konkrete Fall keine Anhaltspunkte dafür liefert, dass hinsichtlich der in § 11 b Abs. 1 Nrn. 3 – 5 SGB II genannten Punkte keine höheren Kosten entstehen und/oder soweit der Berechtigte nicht mehr als 400 € verdient, ist stets der Betrag von 100 € vom Einkommen abzuziehen. Letztlich wird also fingiert, dass der Berechtigte entsprechende Kosten in Höhe von 100 € hat. Ob er diese tatsächlich hat, ist ohne Belang und wird nicht geprüft.
Nach § 11 b Abs. 1 S. 1 Nr.6 SGB II ist ferner ein Betrag nach Abs. 3 abzusetzen.
Lies: § 11b Abs. 3 SGB II
Während der Gesetzgeber bei dem zuvor erläuterten Absetzbetrag in Höhe von 100 € für erwerbsfähige und erwerbstätige Leistungsberechtigte davon ausgeht, dass diesen Kosten ein bestimmter Aufwand auf Seiten des Leistungsberechtigten entspricht, geht es bei dem Absetzbetrag nach Abs. 3 nicht um die Abgeltung von Aufwand, sondern darum, ihm überhaupt einen Anreiz zu geben, arbeiten zu gehen. Der Gedanke ist: wer arbeiten geht, soll dadurch „belohnt“ werden, dass ihm nicht im Wege der Anrechnung das gesamte Einkommen gleich wieder weggenommen wird (zu den gleichermaßen geregelten umfangreichen Sanktionen vgl. § 31 SGB II). Deshalb regelt § 11 b Abs. 3 S. 1 SGB II, dass bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen ist. Hier wird also zunächst die Aussage getroffen, dass überhaupt ein Betrag als Erwerbsanreiz abgesetzt werden kann und wovon dieser Betrag abgesetzt werden kann, nämlich vom monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Das monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist der Bruttolohn. Sodann regelt § 11 b Abs. 3 S. 2 SGB II, die Höhe des Betrages, der als Erwerbsanreiz vom anzurechnenden Einkommen abgesetzt werden kann. Hierzu ist eine Prozentrechnung vorzunehmen und zwar wie folgt: eine Person, die nicht mehr als 520 € verdient, soll von ihrem Einkommen 20 % absetzen können. Zusätzlich ist aber zu berücksichtigen, dass vom Einkommen Erwerbstätiger ja bereits ein Betrag in Höhe von 100 € für „Werbungskosten“ abzusetzen ist. Es ist deshalb geregelt, dass die 20 % sich nur auf denjenigen Teil des Einkommens beziehen, der 100 € übersteigt, aber nicht mehr als 520 € beträgt.
Beispiel: Wer also genau 520 € Bruttoeinkommen hat, kann 84 € absetzen. Die Rechnung lautet: (520 – 100) * 20 % = 84. Wer zum Beispiel ein Einkommen in Höhe von 450 € hat kann 70 € absetzen. Die Rechnung lautet: (450 -100) *20% = 70.
Werden die 520 € überschritten gilt: für den Betrag von 520 € bis 1.000 € dürfen zusätzlich 30 % vom Erwerbseinkommen abgesetzt werden. Für den Betrag von 1.000,- € bis 1.200,- € dürfen zusätzlich 10 % abgesetzt werden.
Beispiel: Wer 1.150 € Bruttoeinkommen hat, kann 243,- € absetzen. Die Rechnung lautet: Vom Einkommen bis 520 € sind abzusetzen: (520 – 100) * 20 % = 84,- €. Vom Einkommen von 520,- € bis 1.000,- € sind abzusetzen (1000- 520) * 30 % = 144. Vom Einkommen von 1.000,- bis 1.150 € sind abzusetzen: 150 * 10 % = 15,- €. Insgesamt sind daher abzusetzen: 243,- € (84 + 144 + 15) €.
Leben Leistungsberechtigte mit mindestens einem Kind in Bedarfsgemeinschaft oder haben sie ein Kind, tritt an die Stelle des Betrages von 1.200 € ein Betrag von 1.500 €.
Beispiel: Wer mit seinem Kind zusammenlebt und 1.450 € Bruttoeinkommen hat, kann 273,- € absetzen. Die Rechnung lautet: Vom Einkommen bis 520 € sind abzusetzen: (520 – 100) * 20 % = 84,- €. Vom Einkommen von 520,- € bis 1.000,- € sind abzusetzen (1000- 520) * 30 % = 144. Vom Einkommen von 1.000,- bis 1.150 € sind abzusetzen: 450 * 10 % = 45,- €. Insgesamt sind daher abzusetzen: 243,- € (84 + 144 + 45) €.
Das bereinigte Einkommen besteht somit im Ergebnis aus der Differenz zwischen dem Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 und den Absetzbeträgen nach §§ 11 b Abs. 2 und 3 SGB II.