Florian Gerlach

Seminare zum „Recht der Sozialen Arbeit“

Evangelische Hochschule Bochum

Bedarfsgemeinschaft

Podcast: Grundsicherung – Bedarfsgemeinschaft

Leistungen erhalten auch Personen, die zwar selbst nicht erwerbsfähig sind, aber mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Mithilfe dieses Begriffes werden im SGB II Personen, die in Familien oder familienähnlichen Beziehungen zusammenleben, im Hinblick auf die Leistungsgewährung zusammengefasst.

Lies: § 7 Abs. 2 SGB II

In der Praxis geht es vor allem darum, die nicht erwerbsfähigen Kinder (also Kinder unter 15) mit deren erwerbsfähigen Eltern dem System des SGB II zuzuordnen. Etwas plakativ könnte man sagen, dass auch die „Anhängsel“ der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach dem System des SGB II behandelt werden sollen. Im Folgenden wird zunächst auf den Begriff der Bedarfsgemeinschaft eingegangen. Sodann werden die rechtlichen Konsequenzen der Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft erläutert.

Begriff der Bedarfsgemeinschaft

Den Begriff der Bedarfsgemeinschaft regelt § 7 Abs. 3 SGB II:

Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

  1. die erwerbsfähige(n) Leistungsberechtigte(n) selbst. (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II)
  2. Eltern im Haushalt ihrer erwerbsfähigen Kinder (§ 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II). Diese Konstellation meint Fälle, in denen (nicht erwerbsfähige) Eltern und deren Partner mit ihren erwerbsfähigen Kindern im Alter zwischen 15 und 25 zusammenleben.
  3. Partner (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II). Partner sind dabei nicht bloß Ehegatten, sondern auch alle anderen Formen von Partnerschaften, seien es sogenannte eingetragene Lebenspartnerschaften (= gleichgeschlechtliche Ehe) oder andere Partnerschaften. Nicht jede Partnerschaft führt zu einer Bedarfsgemeinschaft. Erforderlich ist vielmehr der „wechselseitige Wille, Verantwortung für einander zu tragen und füreinander einzustehen“. Unter welchen Voraussetzungen ein solcher, eine sog. „Verantwortungsgemeinschaft“ begründender Wille besteht, ist in § 7 Abs. 3a SGB II näher definiert: Er wird vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammen leben, wenn sie mit einem gemeinsamen Kind zusammen leben, wenn Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgt werden oder wenn sie befugt sind über Einkommen und Vermögen des anderen zu verfügen. Diese Vermutung hat zur Folge, dass die Betroffenen den Gegenbeweis antreten müssen, wenn sie sich auf das Gegenteil der Vermutung berufen wollen. Wer zum Beispiel behaupten will, dass er mit dem gemeinsamen Kind bloß in einer (Zweck)-WG und nicht in einer Verantwortungsgemeinschaft lebt, muss dies positiv beweisen. Solange er dies nicht tut, wird er behandelt, als lebe er in einer Verantwortungsgemeinschaft.
  4. Kinder und junge Menschen im Haushalt der Eltern. (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II)Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nicht nur minderjährige Kinder, sondern auch volljährige Kinder, die unter 25 sind.

Rechtliche Konsequenzen einer Zuordnung zur Bedarfsgemeinschaft

Die Zuordnung und Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft wirkt sich an verschiedenen Stellen im SGB II aus:

  1. Höhe der Regelbedarfe: Die Regelbedarfsstufe einer Person und damit die Höhe des gezahlten Regelbedarfes ist abhängig davon, ob diese Person einer Bedarfsgemeinschaft angehört oder nicht (vgl. § 20 Abs. 2 und 4 SGB II). Hier wird deutlich, dass sich die Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft für die Betroffenen nachteilig auswirkt, weil in diesem Fall nur ein geringerer Regelbedarf anerkannt wird. Da jede Berechnung von Leistungsansprüchen nach dem SGB II damit beginnt, den Regelbedarf der jeweiligen Person zu ermitteln (vgl. hierzu das Prüfschema zur Berechnung von Grundsicherungsansprüchen), ist die Frage, ob die betreffende Person einer Bedarfsgemeinschaft angehört, als Vorfrage bei jeder Berechnung zu klären.
  2. Bürgeld für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte: Ob eine Person als „Anhängsel“ einer erwerbsfähigen Person Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II erhält, ist davon abhängig, ob sie mit dieser Person in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenlebt.
  3. „Queranrechnung“ von Einkommen in Bedarfsgemeinschaften: Personen, die sich selbst unterhalten können, sind nicht hilfebedürftig und haben deswegen keinen Leistungsanspruch. Gleiches gilt unter bestimmten Voraussetzungen für Personen, die in Bedarfsgemeinschaften mit anderen leben und von deren Einkommen leben können (Details folgen). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Partner bedürftig ist, der andere aber ausreichend Einkommen hat, um den Partner mit zu versorgen.