Florian Gerlach

Seminare zum „Recht der Sozialen Arbeit“

Evangelische Hochschule Bochum

Hartz IV-Reform

Fürsorgeleistungen zur Lebensunterhaltssicherung wurden bis Ende 2004 auf Grundlage des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) als Sozialhilfe gewährt. Das Bundessozialhilfegesetz wurde aufgehoben und im Zuge der sogenannten „Hartz IV Reform“ durch das SGB II und das SGB XII ersetzt. Kritik der damaligen rot-grünen Bundesregierung am „alten“ System war, dass das Zusammenspiel der Sozialleistungen Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe dazu führe, dass Hilfesuchende keine ausreichenden Anreize hätten, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Außerdem wurden Sparziele verfolgt. Diese Ziele wurden durch folgende Schritte umgesetzt:

Bezugsdauer

Vor Inkrafttreten der Hartz IV Reform wurden Personen, die arbeitslos wurden und die in der Arbeitslosenversicherung (SGB III) versichert waren, zunächst Arbeitslosengeld und nach Ablauf bestimmter Zeitkorridore Arbeitslosenhilfe gezahlt. Sowohl das Arbeitslosengeld als auch die Arbeitslosenhilfe wurden der Höhe nach einkommensabhängig als ProzentS. vom bisherigen Einkommen gezahlt, auch für die Dauer mehrerer Jahre. Hier hat die Hartz IV Reform einen radikalen Schnitt herbeigeführt. Die Arbeitslosenhilfe wurde abgeschafft. Es gibt nur noch Arbeitslosengeld I (geregelt im SGB II) als einkommensabhängige Sozialversicherungsleistung. Die Bezugsdauer wurde grundsätzlich (Ausnahmen gelten für ältere Arbeitnehmer) auf ein Jahr beschränkt. Danach erhalten alle erwerbsfähigen Arbeitslosen nur noch das so genannte Bürgergeld, welches der Höhe nach nicht einkommensabhängig, sondern im GrundS. für alle gleich ist (seit 2012 beträgt der RegelS. 374 €).

Berufsschutz

Im „alten“ System von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe gab es einen – wenn auch eingeschränkten – Berufsschutz. Im GrundS. galt: Wer einen bestimmten Ausbildungsstand oder eine bestimmte Qualifikation erreicht hatte, brauchte sich nicht auf Arbeit niederer Qualifikation einzulassen. Dies galt während der gesamten Bezugsdauer von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, die – wie dargestellt – über mehrere Jahre andauern konnte. Im neuen System gibt es diesen Berufsschutz nur noch sehr beschränkt. Grundsätzlich sind einer arbeitslosen Person alle ihrer Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen.

Lies§ 140 SGB III, dort insbesondere Abs. 5.

Einmalige Leistungen

Im „alten“ System wurden die regelmäßig wiederkehrenden Bedarfe des täglichen Lebens durch den damals geltenden RegelS. von knapp 300 € abgedeckt. Soweit Bedarf entstand, der über das regelmäßig wiederkehrende hinausging (z.B. Kühlschrank, Waschmaschine) wurde dieser als einmaliger Bedarf anerkannt und als sogenannte einmalige Leistung finanziert. Diese sogenannten einmaligen Leistungen wurden – bis auf wenige Ausnahmen (§ 24 Abs. 3 SGB II) – abgeschafft. Gleichzeitig wurde der RegelS. um etwa 50 € erhöht. Bezieher von Grundsicherungsleistungen sollten dazu angehalten werden, zu sparen und bestimmte Geldbeträge für künftig anfallende einmalige Bedarfe zurückzulegen.

Senkung des allgemeinen Lohnniveaus

Bezieher von Erwerbseinkommen, die arbeitslos werden, sind nach Ablauf des einen Jahres Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I mit einem Absacken auf das Existenzsicherungsniveau und damit mit oft massiven Einkommenseinbrüchen konfrontiert. Dieser ökonomische Druck zwingt sie zur Annahme von Arbeit auf niedrigerem Qualifikations- und Lohnniveau. Dieses wiederum führt zu einem Mehrangebot an „billiger Arbeit“ und senkt das allgemeine Lohnniveau. Diese Wirkungen der Hartz IV Reform waren einerseits intendiert. Andererseits sieht sich der Gesetzgeber nun selbst mit dem Problem konfrontiert, dass die in den sogenannten Niedriglohnberufen gezahlten Einkommen zum Teil unter dem sogenannten Hartz-IV-Niveau liegen, sodass ergänzende Grundsicherungsleistungen notwendig werden (vgl. hierzu die Diskussion um Mindestlöhne).

Kritik der Reform von SGB II und SGB XII

Die Neuregelungen von SGB II und SGB XII waren nach ihrem Inkrafttreten vielfältiger Kritik ausgesetzt. Diese Kritik betraf einerseits die „handwerkliche“ Qualität des Gesetzes, die von vielen beanstandet wurde. Das Gesetz enthält viele Widersprüche und Unklarheiten, die zu zahllosen Sozialgerichtsverfahren geführt haben. Eine große Zahl der Klagen vor den Sozialgerichten sind erfolgreich. Andererseits bezog sich die Kritik auch auf rechtspolitische Aspekte des Gesetzes.